Asyl tut not!
09. August 2014
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Leitartikel Flüchtlinge: Von der Bibel bis heute
Die Region sieht sich wachsenden Zahlen an Asylsuchenden gegenüber. Sie sind aber kein Vergleich zu den Flüchtlingszahlen in Zeiten, als der Balkankrieg tobte. Wie anderswo geben sich viele Verantwortliche aus Verwaltungen und Kommunalpolitik dennoch überrascht. Ein Leitartikel von Hans-Uli Thierer.
Flüchtlinge heute? Blicken wir zuerst zurück in die Geschichte, die voller Fluchtbewegungen ist. Denken wir an die biblische Geschichte. Oder an die realen Flüchtlingsströme des 18./19. Jahrhunderts, als Tausende perspektivlose Schwaben von Ulm aus auf Schachteln aufbrachen zu neuen Ufern im Banat oder in Siebenbürgen; es waren "Wirtschaftsflüchtlinge", wie solche Menschen heute in abwehrhaltendem Terminus genannt werden. Oder wir denken an ihre Nachfahren, die Generationen später vor dem Stalin-Regime flohen oder vertrieben wurden. Oder an Abertausende Deutsche, die Asyl suchen mussten, um Hitlers Nazi-Schergen zu entkommen.
Die Erinnerung schärft das Bewusstsein für die Lage heutiger Flüchtlinge und Asylsuchender. Und wenn es bloß die Erkenntnis ist, dass niemand seine Heimat gern verlässt ohne Not. Wie immer diese aussieht, was immer sie ausgelöst hat, wer immer Schuld an ihr ist: Das Fluchtmotiv ist im Kern doch immer die Sehnsucht nach einem besseren Leben.
Keine Frage: Wir können die Probleme dieser Welt nicht lösen, die verursacht sind durch Armut, Hunger, politische Verfolgung oder Drangsal. Was die Städte und wir alle aber tun können, erst recht dort, wo man sich internationale Stadt nennt: Uns anstrengen, diejenigen, die das Schicksal zu uns verschlägt oder die uns zugewiesen sind, menschenwürdig zu behandeln. Und wir können Vorurteilen entgegentreten. Asylbewerber fallen eben nicht auf durch massiv höhere Kriminalität, was ob ihrer oft verzweifelten Lagen sogar erstaunt. Ausnahmen wie aggressive Algerier in Dornstadt bestätigen nur die Regel.
OB Ivo Gönner hat Beifall geerntet, als er in der Schwörrede die Ulmer und ihre Gäste aufforderte, es nicht bei Mitleid zu belassen, sondern Flüchtlingen auch Obdach zu gewähren. Ein Dach überm Kopf allein ist aber zu wenig. Es sollten Unterkünfte sein, in denen Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge nicht hausen müssen wie in den Elendsvierteln, denen sie gerade entkommen sind. Nicht Notlösungen lautet die Herausforderung, sondern menschliche Lösungen in Notlagen. Dazu gehört auch, dass die Kommunen durch angemessene Angebote das Spekulantentum unterbinden, das sich durch Vermietung von primitivst ausgestatteten Wohnungen goldene Nasen verdienen möchte.
Die Region sieht sich wachsenden Zahlen an Asylsuchenden gegenüber. Das zeugt von geringer politischer Weitsicht. Schließlich gilt seit eh und je, dass jeder Krieg und jeder neue Krisenherd, wie sie seit langem ständig entflammen, neue Flüchtlinge erzeugen. Und dass der Strom der in Nussschalen übers Mittelmeer wogenden Afrikaner anhält, ist jeden Tag in den Tagesthemen zu sehen.
Die Städte und Gemeinden hätten sich also langfristiger und besser auf die neue Situation einstellen können. Und sie könnten mit den Asylbewerbern - wie sie mit sich selber - mehr anfangen, könnten diese beschäftigt werden. Doch darauf haben Städte und Gemeinden keinen Einfluss. Das Arbeitsverbot steht in einem Gesetz, das reformiert gehört.