FDP, Parteichef Lindner im Gespräch..

15. August 2016

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Brennpunkt

„Wir haben nicht zu lasche Gesetze“

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner über innere Sicherheit, die bevorstehenden Landtagswahlen und die AfD

FDP-Chef Christian Lindner wirft der Union Aktionismus in der Sicherheitspolitik vor. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei keine Frage der inneren Sicherheit.


Herr Lindner, die Union will die Sicherheitsgesetze verschärfen. Sind wir dabei, vor lauter Terrorangst die Freiheit in Deutschland zu opfern?


CHRISTIAN LINDNER: Die Vorschläge aus der Union sind für mich von Aktionismus geprägt. Das ist ein Zeichen von Hilflosigkeit. Nötig wäre eine genaue Analyse, wo es tatsächlich Sicherheitsdefizite gibt. Wir haben nicht zu lasche Gesetze, sondern Sicherheitsbehörden, die nicht zeitgemäß ausgestattet sind. Deswegen ist es richtig, mehr Polizeibeamte einzustellen und die Ausrüstung zu modernisieren. Wir brauchen auch ein europäisches Terrorabwehrzentrum, das nicht nur Daten sammelt, sondern wirksam ist, weil die Bedrohung ja längst grenzüberschreitend ist. Die doppelte Staatsbürgerschaft aber ist keine Frage der inneren Sicherheit. Die Union will hier Sand in die Augen streuen. Oder ist etwa der CDU-Europapolitiker David McAllister ein Sicherheitsrisiko, weil er zwei Pässe hat?


Sie beklagen, dass es zu wenig Polizisten gibt. Aber wurde nicht auch auf Drängen der FDP im öffentlichen Dienst Personal abgebaut?


LINDNER: Erstens hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen zehn Jahren fundamental verändert. Deshalb kann man nicht mit Erwägungen des Jahres 2006 über 2016 sprechen. Zweitens wurde nicht überall im öffentlichen Dienst abgebaut. Die Polizeibehörden wurden geschwächt. Gleichzeitig wurde aber mehr Bürokratie aufgebaut. Beispielsweise hat die große Koalition 1600 Zöllner eingestellt, um die Mindestlohndokumentationen in jeder Bäckerei zu prüfen. Der Rechtsstaat, wie wir Liberale ihn uns vorstellen, ist stark in seinen Kernaufgaben wie Bildung, Infrastruktur, Polizei, Justiz, aber er bürokratisiert nicht unseren Alltag.


Die FDP hat beim Lauschangriff oder beim Datenschutz immer gebremst. Ist sie da zu weit gegangen?


LINDNER: Nein. Von den 15 Terroristen, die in den vergangenen Jahren in Europa Mordanschläge verübt haben, waren 14 vorher den Behörden bekannt. Das Problem ist die mangelnde Anwendung der bestehenden Gesetze, weil wir zu wenige Polizisten haben. Ich kann nicht verstehen, dass jetzt noch mehr Daten von unbescholtenen Bürgern gesammelt werden, statt eine Initiative zur Identifizierung islamistischer Gefährder zu starten. Insbesondere diejenigen, die aus dem syrischen Bürgerkrieg nach Europa zurückkehren, müssen lückenlos überwacht werden.


Wie sehr schmerzt es Sie, dass Sie bei solchen Diskussionen derzeit nicht in der ersten Reihe sitzen?


LINDNER: Es ist jeden Tag eine Nervenprobe. Auch wenn ich sehe, dass Wolfgang Schäuble in Europa Sanktionen gegen Spanien und Portugal verhindert hat, weil sie zu hohe Schulden machen. Im Bundestag gibt es keine einzige kritische Frage. Der Wirtschaftsflügel der Union schweigt, ebenso Grüne und Linke.


Ist die FDP heute die Protestpartei für diejenigen, die nicht die AfD wählen wollen?


LINDNER: Die FDP ist die demokratische Alternative zur versammelten Sozialdemokratie im Bundestag. Wir sind eine besondere Partei, denn wir trauen den einzelnen Menschen etwas zu, setzen Vertrauen in ihre Eigeninitiative und glauben an unser Land und dass man es noch besser machen kann, wenn man den Bürgern manche Hürde reduziert.


In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gibt es die nächsten Landtagswahlen. Warum tut sich die FDP im Osten so schwer, die Fünf- Prozent-Hürde zu überspringen?


LINDNER: Das sehe ich nicht so. In Berlin haben wir starke Themen wie das Offenhalten des Flughafens Tegel. Wir wollen die Verwaltung modernisieren, damit die Menschen nicht Lebenszeit vergeuden, indem sie in der Amtsstube auf Formulare warten. Wir wollen einen handlungsfähigen Rechtsstaat, damit sie sich in jedem Winkel auf unser Rechtssystem verlassen können, und wir wollen ein Bildungssystem ohne die ideologische Schere, jeder müsse Abitur machen. Ich bin da sehr optimistisch. In Mecklenburg-Vorpommern ist die FDP der klarste Kontrast zur AfD. Wer nicht will, dass dieses Bundesland nur von Ewiggestrigen bestimmt wird, hat mit uns die Alternative.


Aber Sie haben das Problem, dass alle nur auf die AfD schauen und wenige auf die FDP.


LINDNER: Ja. Das Problem unserer Mediendemokratie ist, dass sich der Scheinwerfer auf die Regierung richtet und auf diejenigen, die auf Eklat, Tabubruch, Skandal setzen. Als seriöse Traditionspartei können und wollen wir das nicht bieten. Also brauchen wir gute Nerven.


Auf Bundesebene steht die FDP wieder besser da als nach der verlorenen Wahl 2013. Aber der Wiedereinzug in den Bundestag ist längst nicht sicher. Hatten Sie sich mehr erhofft?


LINDNER: Im Gegenteil. Richtig ist: Der Einzug in den Bundestag ist alles andere als sicher. Aber die FDP steht stabiler da, als es uns viele zugetraut hatten. Wir haben zwei Fehler vermieden und eines richtig gemacht. Die Fehler wären gewesen, auf eine sozialdemokratische Linie einzuschwenken oder der AfD nachzulaufen. Wir haben unsere Kontur als weltoffene, europäische, individualistische Partei geschärft. Richtig war, die Dosis an Liberalität in unserem Programm zu erhöhen, von der Bildung und dem schrecklichen Föderalismus von 16 Ländern, die immer wieder die Schulpolitik neu erfinden wollen, bis zur marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik.

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