IVO GÖNNER Ehre wem Ehre gebührt...

17. Februar 2017

Lesen SIE bitte die SWP..

Ich bin ein ganz normaler Bürger“

Ex-Oberbürgermeister Ivo Gönner feiert morgen seinen 65. Geburtstag. Aus diesem Anlass ein Gespräch über das Leben nach dem Ulmer Rathaus, die Sorge um die Demokratie und den Ruhestand, der keiner ist. Von Chirin Kolb


Sich mit Ivo Gönner zum Interview zu verabreden, ist überaus angenehm. Termin, Ort, Themen, Foto – alles kein Problem. Gönner war schon als Ulmer Oberbürgermeister unkompliziert, er ist es geblieben. Noch etwas ist wie immer: Wer mit ihm über den Marktplatz geht, vor dem Rathaus steht, im Museumscafé sitzt, muss ihn teilen. Mit Ulmern, die ihn kennen, grüßen, ein paar Worte mit ihm wechseln. Morgen wird der Alt-OB und Ehrenbürger 65. Die Stadt Ulm richtet ihm an dem Tag im Rathaus einen Empfang für geladene Gäste aus, an alter Wirkungsstätte also.


Herr Gönner, wie sehr vermissen Sie das Rathaus?


Ivo Gönner: Gar nicht. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Ab und zu bin ich zu Veranstaltungen dort, aber vermissen tu’ ich es nicht.


Haben Sie das so erwartet, als Sie vor fast einem Jahr als OB aufgehört haben?


Ach, ich habe mir nicht vorstellen können, was da auf mich zukommt. Zuerst fühlt es sich wie Urlaub an, aber mit der Zeit wird es doch langweilig.


Was haben Sie dagegen getan?


Ich bin in der Kanzlei meines alten Freundes Hans-Jörg Derra als freier Mitarbeiter eingestiegen – die Betonung liegt auf frei.


Dann sind Sie nach 24 Jahren wieder als Rechtsanwalt tätig...


Ja, das ist eine neue und interessante Erfahrung. In meiner Zeit als Anwalt lag mein Schwerpunkt auf dem Strafrecht, und auch als OB hatte ich viel mit juristischen Fragen zu tun. Aber das ist jetzt wieder was Neues. Das habe ich auch gemacht, um mich nochmal ein bisschen zu fordern.


Was ist denn jetzt in der Kanzlei Ihr Schwerpunkt?


Datenschutz. Es gibt eine neue europäische Datenschutzverordnung, die im Mai 2018 in Kraft tritt. Im Mittelpunkt steht der Schutz persönlicher Daten. Die EU-Verordnung bringt eine deutliche Verschärfung gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz.


Klingt kompliziert. Was ist denn Ihre Aufgabe als Anwalt bei dem Ganzen?


Ich muss mich auch erst einarbeiten. Die Verordnung wird eine große Bedeutung für Betriebe und öffentliche Verwaltungen haben, denn es drohen bei Verstößen ganz erhebliche Bußgelder. Unternehmen und Verwaltungen müssen sich also wappnen, und wir als Anwälte werden sie dabei beraten.


Das ist ja was ganz anderes als früher in Ihrer Kanzlei oder im Rathaus...


In der Tat. Es ist ein interessantes Thema. Nach der Zeit im Rathaus musste ich für mich persönlich einen neuen Rhythmus finden. Neue Aufgaben gehören dazu.


Wie muss man sich Ihren Arbeitstag in der Kanzlei vorstellen? Kommen Sie morgens um acht und gehen um fünf?


Nein, nein. Ich habe in der Kanzlei ein Büro, und ich komme im Lauf des Vormittags und beende meinen Arbeitstag ohne Stechuhr.


Sieht man Sie auch im Gerichtssaal?


Ich trete vor Gericht im Moment überhaupt nicht auf und will das auch nicht forcieren. Ab und zu bin ich bei Konflikten als Schlichter gefragt, aber das mache ich nur sehr ausgesucht. Das gilt auch für den einen oder anderen Vortrag, für den ich angefragt werde und den ich halte.


Wollen denn viele den ehemaligen OB für ihre Sache begeistern und vielleicht auch vereinnahmen?


Ich habe das eine oder andere abgelehnt, weil ich mir Zeit lassen will. Ich engagiere mich aber bei der Stiftung Erinnerung und im Förderverein für das Museum zur Geschichte der Christen und Juden in meiner Geburtsstadt Laup heim.


Klingt aber doch nach ausgefüllten Arbeitstagen...


Sagen wir so: Früher hatte ich einen zeitlichen Aufwand von 70, 80 Stunden in der Woche. Jetzt sind es 30 oder 35. Ich werde oft gefragt: Wie ist es denn so im Ruhestand? Dann sage ich: Ruhiger, in jeder Beziehung. Das ist ja auch gut so. Jetzt kann ich mich spontaner mit Freunden verabreden.


Bleibt denn Zeit für ein Hobby?


Früher habe ich immer zum Ende eines Jahres ein Bild gemalt. Jetzt habe ich drei in Bearbeitung.


Was sagen Sie denn zu aktuellen kommunalpolitischen Entwicklungen in Ulm?


Gar nichts. Es ist mein oberstes Prinzip, mich nicht in die Kommunalpolitik einzumischen.


Ich kann Ihnen also kein Statement entlocken, zu den Fahrspuren in der Friedrich-Ebert-Straße zum Beispiel oder zur Debatte über die Sportförderung?


Das wäre völlig deplatziert. Man muss mit Anstand Abstand halten. Ich bin ein ganz normaler Bürger, und ich fühle mich von den Ulmer Akteuren gut regiert, beginnend beim OB und dem Gemeinderat.


Werden Sie eigentlich als ehemaliger OB noch von Bürgern mit ihren Anliegen angesprochen?


Ja, das kommt vor. Dann mach’ ich es wie früher: Ich schreib’s auf ein Zettele und geb’s weiter.


Aber Sie verfolgen die Kommunalpolitik noch?


Natürlich. Ich bin ein aufmerksamer Zeitungsleser, aber ich verkneife mir jeden Kommentar.


Auch im Familien- und Freundeskreis?


Da nicht. Aber ich achte darauf, dass nichts nach außen dringt.


Was sagen Sie zur Begeisterung, die Martin Schulz, dem Kanzlerkandidaten Ihrer Partei, entgegen schlägt?


Das ist eine Momentaufnahme. Als die SPD in den Umfragen nur bei 20 Prozent lag, war sie völlig unterbewertet. Die SPD hat viel mehr Substanz. Martin Schulz kann die Partei in der Wählergunst stabilisieren.


Warum?


Weil er kommunalpolitische Wurzeln hat. Eine Erfahrung meiner langen politischen Tätigkeit ist: Kommunalpolitiker haben die wenigsten Probleme, weil sie nahe an den Leuten sind.


Viele Leute fühlen sich aber gerade von den etablierten Politikern nicht mehr vertreten, in Deutschland womöglich nicht, aber auch nicht in vielen anderen europäischen Ländern oder den USA.


Ja, Politiker wie Marine Le Pen in Frankreich verbreiten die Illusion, die Rückkehr zu nationalstaatlichen Verhältnissen sei ein Segen. Dabei sind sie ein Fluch. Sie würden ihre Länder in eine wirtschaftspolitische Katastrophe führen. Und die nationalstaatliche Erosion macht ja vor Ländern nicht halt, sie ginge weiter über die Regionen. Das sieht man ja schon an Großbritannien, wo Schottland keinen Brexit will.


In vielen europäischen Ländern sind rechte Parteien im Aufwind. Erwarten Sie ähnliche Entwicklungen bei der Bundestagswahl?


Ich hoffe, dass die anderen Beispiele aufrüttelnd wirken für uns. Wir dachten viel zu lang: Demokratische Verhältnisse sind selbstverständlich. Jetzt stellen wir leidvoll fest, dass zahlreiche Menschen damit gar nicht viel am Hut haben. Deshalb müssen wir uns für die Demokratie einsetzen, jeder persönlich. Für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz, Meinungsfreiheit...


Auch Rechte nehmen für sich die Freiheit in Anspruch, ihre Meinung äußern zu dürfen.


Ja, das dürfen sie. Aber man darf auch widersprechen. Man muss widersprechen. Wir brauchen keine deutsche Leitkultur. Wir haben das Grundgesetz. In den Artikeln 1 bis 20 steht alles drin. Mehr braucht es nicht.

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