Steueroasen...weiter trockenlegen...

09. Mai 2018

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Nicht nur Apple vermeidet massiv Steuern“
Interview Der schwäbische EU-Abgeordnete Markus Ferber klagt auch Konzerne wie Starbucks, die Fiat Holding und Amazon wegen Tricksereien an. Brüssel erhöht den Druck auf die europäischen Unternehmens-Steueroasen

Herr Ferber, Apple hat in Irland jahrelang nur lächerliche Unternehmens-Steuersätze von zum Teil 0,05 Prozent gezahlt. Was hat Brüssel im Kampf gegen den Missstand erreicht?

Markus Ferber: Die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und wir im EU-Parlament haben einen Riesenerfolg gegen diese unzulässige Form der Beihilfe von Irland gegenüber Apple erzielt. Nachdem sich die Regierung in Dublin lange gewehrt hat, von Apple in Irland zu wenig gezahlte Steuern von gut 13 Milliarden Euro einzufordern, gab es einen Kurswechsel. Die Iren verlangen nun auf unseren Druck hin die Summe. Somit muss Apple die Steuern nachentrichten, schließlich beträgt der reguläre Körperschaftssteuersatz in Irland 12,5 und eben nicht 0,05 Prozent. Unser Bohren dicker Bretter hat also Erfolg gezeigt.

Wirklich? Die Iren wollen das Geld eigentlich nicht haben. Sie parken es zunächst auf einem Treuhandkonto und fechten den Bescheid an, um Apple nicht zu verleiten, die europäische Zentrale aus ihrem Land abzuziehen.

Ferber: Das ist dennoch ein Erfolg für uns. Denn Irland hat eingelenkt und wird diese unzulässige Subvention unterlassen. Und Dublin hat unserem Druck nachgegeben, ehe der Europäische Gerichtshof in dieser Sache entscheidet. Natürlich haben die Iren noch die Hoffnung, dass sie vor dem Europäischen Gerichtshof recht bekommen. Deshalb parken sie das Geld auf einem Treuhandkonto. Doch für mich ist völlig klar: Letztlich hat Irland Apple eine unzulässige Beihilfe gewährt. Am Ende muss Irland das Treuhandkonto auflösen und die gut 13 Milliarden dem Staatshaushalt zuführen.

Wie kommt die grotesk hohe Summe von gut 13 Milliarden Euro zustande?

Ferber: Das geht auf ein kompliziertes Konstrukt zurück: Die nationalen europäischen Apple-Töchter, also auch die deutsche, müssen an die irische Lizenzgebühren zahlen. Apple Deutschland zahlt also für jedes iPhone oder jedes iPad an Apple Irland eine Gebühr. Das ist ein Steuervermeidungsmodell, denn Apple hat so in Deutschland kaum Steuern bezahlt und eben in Irland nur lächerlich geringe Steuern.

Hoffen Sie, dass Konzerne wie Apple jetzt von Steuerverweigerern zu verlässlichen Steuerzahlern in Deutschland werden?

Ferber: Nach dem Einlenken Irlands ist das unsere ganz große Hoffnung. Aber noch wissen wir nicht, wie hoch die Steuermehreinnahmen für Deutschland sein werden.

Apple ist wie Amazon oder Starbucks ein amoralischer Steuertrickser-Konzern. Kaufen Sie eigentlich noch Apple-Produkte?

Ferber: Ich habe ein iPhone in Deutschland gekauft. Mir war bewusst, dass dadurch Apple in Irland eine Lizenzgebühr bekommt. Aber als Verbraucher hat man keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments kämpfe ich für die Trockenlegung solcher Steuersümpfe.

Wie verliefen die Gespräche der EU-Politiker mit irischen Repräsentanten?

Ferber: Ich konnte mit Vertretern mittelständischer Firmen aus Irland sprechen. Ich habe versucht, den Unternehmern klarzumachen, dass die wettbewerbsverzerrende Subvention der Regierung in Dublin für Apple zu ihren Lasten geht. Und das steht für die irische Volkswirtschaft in keinem Verhältnis zu den rund 500 Arbeitsplätzen, die Apple in dem Land geschaffen hat. Das sind viel zu teuer erkaufte Arbeitsplätze.

Aber Irland ist nicht die einzige Unternehmens-Steueroase in Europa.

Ferber: Nicht nur Apple vermeidet massiv Steuern. Ähnliche Praktiken wie in Irland gibt es auch in Luxemburg und in den Niederlanden.

Wie läuft das dort ab?

Ferber: In den Niederlanden minimiert die US-Kaffeehauskette Starbucks ihre Steuern und in Luxemburg macht das die Fiat Holding. Starbucks hat eine ähnliche Konstruktion ausgetüftelt wie Apple. Die Holding sitzt in den Niederlanden. Dorthin fließen die Lizenzgebühren aus anderen europäischen Staaten. Starbucks zahlt zwar etwas mehr Steuern als Apple in Irland, aber deutlich weniger als jedes niederländische Unternehmen.

Und wie trickst die Fiat Holding?

Ferber: Sie hat ihren Sitz in Luxemburg. Auch hier werden über Lizenzgebühren Gewinne nach Luxemburg geschoben und dort nur pauschal mit einer Steuer im einstelligen Prozentbereich belastet. Mit den Fällen Starbucks und Fiat befassen wir uns auf europäischer Ebene. Beide Fälle beschäftigen auch den Europäischen Gerichtshof. All diese Fälle sind skandalös. Hier handeln Staaten wie Luxemburg und die Niederlande gegen die Regeln der Europäischen Union. Denn in diesen Ländern ist es für Firmen möglich, individuell Steuern auszuhandeln. Das ist in Deutschland jedoch unmöglich.

Muss dieser Steuern-Flickenteppich nicht bald eingemottet werden?

Ferber: Wir brauchen EU-weite Regelungen, dass anders als etwa in den Niederlanden Firmen nicht individuell Steuern aushandeln können. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Nutzen auch deutsche Konzerne solche Steuersparmodelle wie in Luxemburg?

Ferber: Mir sind keine Fälle bekannt.

Wie viele Unternehmens-Steueroasen gibt es in Europa?

Ferber: Abgesehen von den Niederlanden, Luxemburg und Irland gibt es auch in Europa Möglichkeiten, als Privatmann die Steuerlast zu mindern. Hier sind mir Malta und Madeira bekannt. Auch mit Zypern haben wir seitens der EU Probleme. Aber wir im Europarlament machen Druck, dass auch diese Steuerspar-Sümpfe trockengelegt werden. Ich hoffe, dass uns die EU-Kommission hier unterstützt.

Die Geschäftspraktiken von Amazon verärgern nicht nur US-Präsident Trump. Wie groß ist der Zorn auf den Onlinehändler in Europa?

Ferber: Mit Amazon haben wir ein großes Problem. Das hängt mit der Mehrwertsteuer zusammen und läuft über Luxemburg. Wer heute etwa in Schwaben bei Amazon kauft, dessen Kaufvertrag läuft über Luxemburg. Die Waren werden aber oft über das große Logistikzentrum in Graben bei Augsburg geliefert. So wird bei den deutschen Behörden zunächst ein Vorsteuerabzug gemacht. Dann wird die Mehrwertsteuer in Luxemburg fällig. Hier zahlt Amazon aber nur eine lächerlich geringe Mehrwertsteuer.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ferber: Auf eine DVD zahlt man in Deutschland 19 Prozent Mehrwertsteuer. Das holt sich Amazon Luxemburg beim deutschen Fiskus. Da kann man als Amazon anders kalkulieren. Aber auch hier sind wir hinterher: Man kommt auch mit stumpfen Bohrern durch dicke Bretter durch. Man muss nur geduldig dranbleiben.

Wie beurteilen Sie die Pläne der EU für eine Digitalsteuer auf Online-Umsätze von US-Internetriesen?

Ferber: Unser Körperschaftssteuerrecht befindet sich noch im 20. Jahrhundert und passt nicht mehr zu Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter. Das Hauptproblem ist aktuell, dass das Steuerrecht nur dann greift, wenn das Unternehmen in dem jeweiligen Staat physisch anwesend ist. Klar ist aber, dass Facebook, Google und Co. auch ihren fairen Anteil an Steuern zahlen müssen. Dass die Kommission dieses Thema angeht und nicht auf internationale Lösungen wartet, ist nur vernünftig. Interview: Stefan Stahl

Rein moralisch betrachtet ist der Apfel wurmstichig: Denn der US-Riese Apple hat in Europa in den vergangenen Jahren durch geschickte Konstruktionen kaum Steuern bezahlt. Der Konzern konnte hier auf die Mithilfe Irlands bauen. Foto: Jim Young, dpa

Rein moralisch betrachtet ist der Apfel wurmstichig: Denn der US-Riese Apple hat in Europa in den vergangenen Jahren durch geschickte Konstruktionen kaum Steuern bezahlt. Der Konzern konnte hier auf die Mithilfe Irlands bauen. Foto: Jim Young, dpa

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