Hochschule Ulm.. sie will auch mit einer Umbenennung ihr Profil schärfen

28. Dezember 2018

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Ulm und Neu-Ulm

„Wir sind auf dem richtigen Weg“

Hochschule Was drin ist, sollte auch drauf stehen, sagt Rektor Volker Reuter. Deshalb wird im März die Bezeichnung Technische Hochschule Ulm eingeführt. Aber das ist nur ein Teil der neuen Strategie. Von Rudi Kübler


Wer mit der Straßenbahn die Einstein-Allee entlangfährt, entdeckt östlich der Hochschule Ulm die Baugrube und den Baukran. Die Arbeiten an dem 38,4 Millionen Euro teuren Ersatzneubau sind in vollem Gange – und das ohne Spatenstich. Warum? „Vielleicht war das Wetter schlecht“, sagt ein sichtlich entspannter Volker Reuter. Sprich: Das Brimborium um den Spatenstich ist nicht so wichtig, Hauptsache, das Gebäude wird bis Ende 2020 fertiggestellt, um an die in Aussicht gestellten Bundesmittel zu kommen, so der Rektor der Hochschule Ulm. „Der Bau ist das größte Projekt im Bundesprogramm Hochschulbauten Energieeffizienhaus-plus-Standard. Es passt also ideal zur Hochschule, erstens wegen der Energietechnik, zweitens wegen der Nachhaltigkeit.“ Wir sprachen mit ihm über den Strategieprozess, an dem die Hochschule seit fast drei Jahren arbeitet und der noch nicht beendet ist. Ein Markstein: Ende März 2019 findet eine akademische Feier zur Umbenennung in Technische Hochschule Ulm statt.


Was versprechen Sie sich von der Umbenennung?


Volker Reuter Wir sind seit drei Jahren mit der Frage konfrontiert: Wie können wir die Sichtbarkeit der Hochschule Ulm erhöhen – in der Region, insbesondere aber auch bei den Studierenden? Es ist einfach so, dass die Uni wegen ihrer Größe und Bedeutung alles überstrahlt ...


... und die Hochschule Ulm steht im Schatten der Uni ...


... ja, nur so ein Beispiel: Wenn man am Hauptbahnhof ins Taxi steigt und zur Hochschule will, kann es einem schon passieren, dass der Taxifahrer zur Universität hoch fährt.


Ganz schön frustrierend als Rektor, wenn die Hochschule in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird?


Für uns ist das Ansporn: Wir müssen mit unseren Themen mehr durchdringen, mit dem, was wir sind. Deshalb habe ich auch mal gesagt: Draufschreiben, was drin ist. Sprich: In der Hochschule Ulm geht es nun mal um Technik. In vielen Gesprächen mit internen Gruppen, dem Hochschulrat und Firmen haben wir das Selbstverständnis der Hochschule Ulm herausgearbeitet und sind zum Ergebnis gekommen: Wir sind die Technische Hochschule Ulm. Darunter steht: Menschen, Praxis, Wissenschaft. Die Menschen stehen bei uns an erster Stelle, die Praxis ist zentral, die Wissenschaft ist unser Metier.


Es geht also in erster Linie um Sichtbarmachung?


Es geht um die klare Positionierung in der Region, um die Hochschule, an der man das breite Spektrum der technischen Studiengänge studieren kann.


Mussten dicke Bretter gebohrt werden?


Wir haben mit vielen, vielen Partnern geredet. Es stimmt schon: Es hat länger gedauert, aber ich bin dem Ministerium dankbar für die konstruktive und wohlwollende Begleitung dieses Prozesses. Wir mussten ja darstellen, was wir sind, was wir wollen. Wir sind durch die Umbenennung keine andere Hochschule geworden. Wir sind nicht aufgewertet, aber wir werden von außen anders bewertet. Darum ging es uns.


Hatte das Ministerium die Befürchtung, eine Welle an Umbenennungen loszutreten?


Ich glaube nicht. Ich kann nicht fürs Land sprechen, diese Tendenz sehe ich aber auch nicht. Die Hochschule Ulm hat im Gegensatz zu anderen Hochschulen ihr technisches Profil nie verlassen. Wenn wir in Studiengänge gegangen sind, die mit Wirtschaft zu tun haben, dann sind wir Kooperationen eingegangen, beispielsweise mit der Hochschule Neu-Ulm. Die neue Bezeichnung ist natürlich auch eine Herausforderung, wir müssen den klingenden Namen gut ausfüllen.


Sie selbst sprachen mal von intensiver Diskussion um die Umbenennung. Gab es auch Gegenstimmen?


Fast nicht. Natürlich sind alle Prozesse Mehrheitsprozesse, wir sind demokratisch organisiert. Aber eine überwiegende, nein, riesige Mehrheit ist für diese Umbenennung. Ich kenne nur einen Kollegen, der Bedenken hat.


Wie sieht denn künftig die Strategie aus? Mit einer Umbenennung allein ist es ja nicht getan?


Das stimmt, wir haben uns gefragt: In welchen Bereichen wollen wir unterwegs sein? Fünf Profilfelder haben wir ausgemacht: „Moderne Mobilität“, „Digitale Technologien“, „Nachhaltige Energiesysteme“, „Technik in Gesundheit und Medizin“ sowie „Intelligente industrielle Systeme“. Unsere Bachelorprogramme bilden die breite Grundlage, dafür, dass wir diese fünf Profilfelder bespielen können. Darauf aufbauend kommen Masterprogramme hinzu, die sich in Richtung dieser Profilfelder bewegen müssen. Zu jedem dieser Profilfelder wollen wir ein Masterprogramm anbieten.


Was ändert sich denn für die Studierenden?


Unser großes Ziel ist, das Bachelorprogramm so modular aufzubauen, dass nach den ersten beiden Semestern noch sehr gut Wechsel in den Studienrichtungen möglich sind. Wir wollen den jungen Leuten eine längere Phase für die Orientierung an der Hochschule einräumen. Soll heißen: Nach den Grundlagen des ingenieurwissenschaftlichen Studiums können die Studierenden in verschiedene Richtungen gehen, beispielsweise in Richtung Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Mechatronik oder Produktionstechnik.


Ein Grundstudium für alle?


Nein, das gelingt nicht, aber in einem bestimmten Rahmen können wir es den jungen Leuten einfacher machen.


Hängt Ihr Vorstoß auch damit zusammen, dass die Abbrecherquote immer noch sehr hoch ist?


Ich hoffe natürlich, dass wir die Quote dadurch auch senken können. Aber dahinter steckt vor allem die Anstrengung, den immer jünger werdenden Studierenden – teilweise sind sie ja erst 17, 18 Jahre alt – Möglichkeiten für ein Studium aufzuzeigen. Nach dem Motto: Kommt hier her, schaut euch das zwei Semester an und entscheidet euch dann. Dann habt ihr immer noch fünf Semester bis zum Bachelor-Abschluss. Das ist ja auch verantwortungsvoll gegenüber den jungen Menschen, die mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu uns kommen.


Gibt es bundesweit Vorbilder?


Wir erfinden jetzt das Rad nicht neu, da brauchen wir uns nichts darauf einzubilden. Viele Hochschulen versuchen in der Tat, noch besser auf die Wünsche und Bedürfnisse der Studierenden einzugehen. Neu ist freilich, den Ansatz auf das ganze Studium auszudehnen. Sprich: Auch im Hauptstudium wollen wir Durchlässigkeiten und variable Anteile fördern. Man muss sich das als Baukastensystem vorstellen – nicht zuletzt aus finanzieller Hinsicht müssen wir uns auf standardisierte Prozesse konzentrieren.


Wollen Sie eventuell sogar Studiengänge einstampfen, die nicht entsprechend nachgefragt werden?


Darauf möchte ich ungern mit Ja oder Nein antworten. Wenn ich mit Nein antwortete, würde es so klingen, als würden wir keinerlei Veränderungen anstreben. Das ist falsch, definitiv. Wenn ich mit Ja antwortete, dann würde möglicherweise die Angst umgehen: Ja wie. welcher Studiengang ist betroffen? Das möchte ich nicht, das wäre nicht sinnvoll. Wir haben in der Strategie Leitsätze definiert. Einer lautet: Wir bieten zukunftsweisende und praxisnahe Studienprogramme mit ausgezeichneter Betreuung. Die Frage, ob jeder unserer Studiengänge diesem Leitsatz entspricht, möchte ich mit klarem Ja beantwortet haben. Wenn das vielleicht nicht an jeder Stelle der Fall ist, müssen wir genau da ansetzen. Das hat mit Verantwortung und Nachhaltigkeit zu tun.


Es sind also alle Studiengänge auf dem Prüfstand?


Ja sicher, das ganze Studienprogramm wird darauf abgeklopft, ob es zur Strategie passt. Ich sag mal: Vieles passt ja auch dazu, wir machen ja nichts komplett Neues. Wir sollten uns aber fragen: Machen wir es an jeder Stelle richtig?


Aber das wird ja noch mal zwei, drei Jahre dauern?


Natürlich. Denn alle Prozesse müssen demokratisch ausgetragen werden. Wir müssen Veränderungen zusammen tragen können. Wenn wir Veränderungen von oben vorgeben, dann verlieren wir einige, die nicht mitmachen. Dann würde die Hochschule ein zerrissene Bild für unser Hauptgeschäft abgeben – und das besteht darin, Serviceleister zu sein. Serviceleister für die Gesellschaft, vor allem für die junge Generation. Und das müssen wir ernst nehmen und ein gutes Programm bieten. Die zentrale Frage lautet deshalb: Haben wir dieses gute Programm?


Wie wollen Sie die Forschung stärken?


Zunächst mal kann man sagen: Die Forschung kam 2005 ins Hochschulgesetz, aber die Ressourcen kamen nie an ...


... ist das der Grund, warum so wenige Hochschulprofessoren forschen?


Sie haben recht: Forschungsstarke Professuren kann es mit unseren Ressourcen nur relativ wenige geben, etwa 10 bis 15 Prozent. Auf dem Weg, die Bedingungen für Drittmittelprojekte zu verbessern, sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Sprich: Wir können in unserem Rahmen versuchen, Professoren zu animieren, Projekte aufzubauen und Drittmittel einzuwerben. Im Gegenzug hat die Hochschule die Möglichkeit, das Deputat zu reduzieren, gemessen an der Höhe der Drittmitteleinwerbung.


Welche Bedeutung hat das Siegel „Fair Trade University“ für die Hochschule?


Das Siegel steht im Kontext der Nachhaltigkeit, der wir uns verpflichtet haben. Wir machen da etwas 100 Prozent Sinnvolles. Wir haben eine gewissen Vorbildfunktion und hoffen, dass die Studierenden das aufnehmen und weitertragen.


Wie steht es um die Finanzierung der Hochschulen? Sie haben sich bei der Ausbauplanung stark engagiert, aber die Unterstützung durch das Land ist ausgeblieben. Was wollen die Hochschulen tun?


Das Finanzierungsthema muss man differenziert anschauen. Das Ausbauprogramm 2012, initiiert aufgrund des doppelten Abi-Jahrgangs, war nicht vollkommen ausfinanziert. Die Situation ist aber die, dass die Studierendenzahl auf diesem hohen Niveau bleibt. Im Gespräch mit dem Land um den Hochschulfinanzierungsvertrag II geht es darum, die Mittel aus diesem Programm zu verstetigen. Aber es gibt noch mehrere Baustellen: Der Stellenschlüssel der Hochschule hat noch das Profil von vor 20 Jahren, nicht nur was die Quantität, sondern auch die Qualität angeht. Schauen Sie in die Rechenzentren, in die Labore und Institute. Die Anforderungen sind gigantisch gestiegen und steigen ständig weiter. Hier Verträge, dort Vorschriften. Wir müssen rechtssicher handeln, alle baden-württembergischen Hochschulen – das sind 24 – haben aber lediglich eine einzige Justitiarin. Wir haben Wünsche, aber keine utopischen. Wir kämpfen mit dem Rücken zur Wand. Wir tun das nicht für uns, sondern in erster Linie für die junge Generation, dann für die Unternehmen in der Region und für die Gesellschaft insgesamt. Das ist meine Handlungsmotivation.


Sie haben jüngst mehrere Kooperationen angestrebt. Was steckt dahinter?


Ich glaube, dass man sich in vielerlei Hinsicht mit anderen zusammenschließen sollte, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Beispiele sind die Gründung des Zentrums für Energieforschung und Technologie, wo die Uni und das ZSW Partner sind, oder das Projekt zu intelligenten Stromnetzen zwischen der Hochschule Ulm, dem Berufsbildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Ulm und der Uni Tübingen. Von 1. Januar an werden wir unsere akademische Weiterbildung gemeinsam mit der Uni betreiben. Mit der Uni Stuttgart kooperieren wir in Sachen Technikdidaktik. Das heißt: Wer bei uns einen ingenieurwissenschaftlichen Bachelor gemacht und das Modul Technikdidaktik belegt hat, hat die Zugangsvoraussetzung zum Master-Studiengang Technikpädagogik in Stuttgart und damit den Einstieg zum Lehramt an Technischen Gymnasien. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.

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