Ulm und die REFRORMATION

02. Januar 2017

Lesen SIE bitte diese interessante Zusammenfassung.. der SWP

Streit und Diskussionen über sechs Jahrzehnte

Reformationsjubiläum Bis sich die Ulmer zur Lehre Luthers bekannten, dauerte es seine Zeit. In dem Prozess mischten viele Stimmen mit. Davon zeugt ein reicher Schatz von Handschriften aus jener Zeit. Im Jahr 2017 spielt er eine wichtige Rolle. Von Verena Schühly


Im Jahr 2017 wird das Reformationsjubiläum groß gefeiert. Auch in Ulm. „Allerdings tun wir uns schwer mit dem konkreten Jahr 1517, weil wir nicht wissen, was da in Ulm schon angekommen war.“ Dr. Gudrun Litz vom Stadtarchiv Ulm ist Expertin für Mittelalter und Frühe Neuzeit. Das Stadtarchiv birgt einen großen historischen Schatz an Handschriften aus jener Zeit: Die so genannten Reformationsakten umfassen insgesamt rund 40 Regalmeter an Briefen, Gutachten, Predigtmitschriften, Visitationsakten und anderem Quellenmaterial wie den Ratsprotokollen.


Die ersten Belege für reformatorisches Gedankengut in Ulm finden sich in den Jahren 1518/19, als der Ulmer Stadtarzt Wolfgang Reichart mit Martin Luther korrespondierte und dessen Schriften in seinem humanistischen Hauskreis verbreitete.


Ein klares Datum hingegen ist für die Ulmer der November 1530, als die Ulmer Bürger mit großer Mehrheit für die Reformation stimmten. Auch hier schränkt Litz etwas ein: „Eigentlich war es keine Abstimmung für ein reformatorisches Bekenntnis, sondern eine gegen die alte katholische Lehre.“ Es war also nicht auf einen Schlag alles anders, sondern ein langjähriger Prozess. Das Besondere daran: In Ulm hatte die neue protestantische Bewegung nicht eine bestimmte Richtung, sondern für einige Jahrzehnte eine beachtliche Vielstimmigkeit.


Ringen um den richtigen Weg


Es gab verschiedene Strömungen, deren Anhänger miteinander um den richtigen Weg rangen. Die Streitigkeiten landeten oft vor dem Rat der Stadt, der schlichtete und moderierte. Die Ratsprotokolle und Akten zeugen mit Streichungen ganzer Passagen und vielen Randbemerkungen von heftigen Diskussionen.


In Ulm steht das Jubiläumsjahr unter dem Motto „Vielstimmigkeit der Reformation“. Das Programm ist ein Gemeinschaftsprojekt von Stadt und Kirche, beide Seiten bringen Programmpunkte ein. Und finanzieren ein derzeit laufendes Forschungsprojekt: Die Pfarrerin und Kirchengeschichtlerin Dr. Susanne Schenk arbeitet an ihrer Habilitationsschrift über die Zeit der Ulmer Reformation zwischen 1530 und 1548. Damit ist die Uni Tübingen (Lehrstuhl Dr. Volker Leppin) als dritter Mitspieler im Boot.


Am 18. und 19. Mai wird in Ulm eine wissenschaftliche Tagung über die „Vielstimmige Reformation“ veranstaltet, mit hochkarätigen internationalen Fachleuten und öffentlichen Vorträgen. Thematisch sind zwei große Blöcke vorgesehen, wie Gudrun Litz erläutert: Zum einen die verschiedenen theologischen Strömungen und zum anderen die Partnerstädte Straßburg, Basel, Konstanz und Augsburg. Diese sind laut Litz „die Bezugspunkte von Ulm in Religionsfragen: In den ersten Jahren gab es noch nicht so viele ausgebildete evangelische Prediger, dass jede Stadt oder jede Kirche einen haben konnte.“


Katholiken als Minderheit


Mit den Predigern kamen die unterschiedlichen theologischen Strömungen: die lutherische, die oberdeutsche, die zwinglianische, die täuferische und die spiritualistische Richtung – sowie die Altgläubigen, „also die Katholischen, die es als Minderheit auch noch gab“, fügt Litz an. Beispielsweise blieb die Patrizierfamilie Neithardt katholisch. Einer der Hauptstreitpunkte der verschiedenen Strömungen war das jeweilige Verständnis des Abendmahls.


„Während andere Städte rasch einheitliche Vorgaben machten, blieb der Ulmer Rat lange Zeit offen für verschiedene Richtungen“, lässt sich laut Litz aus den Akten gut herauslesen. Zwar gab es auch hier seit 1531 eine Kirchenordnung. „Aber die Frage ist doch: Wie rigide setzt der Rat die durch?“ Erst im Jahr 1577 bekannten sich die Ulmer eindeutig zur lutherischen Linie.


Bei aller „Schriftlastigkeit“, das gibt Litz unumwunden zu, haben die Mitarbeiter des Stadtarchivs eine Ausstellung konzipiert, um das Thema sichtbar zu machen und in die Stadt zu tragen: Entstehen wird ein Stationenweg zu den Anfängen der Reformation in Ulm, der am 28. Juli eröffnet wird. Begonnen wird auf dem Münsterplatz vor dem Stadthaus mit zwei Stelen: Hier stand im 16. Jahrhundert die Barfüßerkirche, in der Franziskanerbrüder 1520/21 die ersten reformatorischen Predigten hielten. Eine zweite Stele weist auf den humanistischen Stadtarzt Reichart hin.


Auch im Münster sind verschiedene Stationen vorgesehen, um auf die Neuordnung des Gottesdiensts und des Kirchenwesens vorzustellen. Weiter geht es im Haus der Stadtgeschichte, das Akten und Archivalien ausstellt. Im Ulmer Museum sind Bilder und Gegenstände wie der Abendmahlskelch vom Münster aus jener Zeit zu sehen. In der Neuen Straße ist dort, wo das Haus der Familie Streicher stand, eine Stele: Der Spiritualist Kaspar von Schwenckfeld verkehrte mit der Familie und starb auch hier, „obwohl er eigentlich Stadtverbot hatte“, berichtet Gudrun Litz und wertet das als Zeichen der Offenheit des Ulmer Rats.


Der Weg führt weiter zur Wengenkirche, um an das Leben der katholischen Minderheit zu erinnern. Letzte Station ist das Haus der Begegnung: Die frühere Dreifaltigkeitskirche wurde im Jahr 1617 – 100 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers – errichtet als sichtbares Bekenntnis der Ulmer zur Reformation.


Ein Herzensanliegen ist es der Historikerin Litz, dass die Ulmer im Jubiläumsjahr den Münsterprediger Martin Frecht kennenlernen: Der steht bislang im Schatten seines Vorgängers Konrad Sam und seines Nachfolgers Ludwig Rabus. Geboren vermutlich 1494, stammte Frecht aus einer Ulmer Schuhmacherfamilie. Er besuchte die Lateinschule, studierte in Heidelberg und brachte es dort bis zum Rektor. 1531 kehrte er nach Ulm zurück und wurde zum maßgeblichen Theologen der 1530/40er Jahre in der Reichsstadt.


In ökumenischer Rücksicht


Auch kirchlicherseits ist es nicht so ganz einfach mit dem Jubiläum. Deshalb spricht Prälatin Gabriele Wulz lieber von Reformations-Gedenken als von Jubiläum – „in ökumenischer Rücksicht“. Es geht ihr darum, dieses Jahr als Christen gemeinsam zu feiern, nicht in Abgrenzung oder Profilierung: „Wir halten die Ambivalenz aus und blicken auf die Zwischentöne.“


Dazu gehört für die Theologin auch ein kritischer Blick auf den Reformator: Ab 5. März ist im Münster die Ausstellung „Luther und die Juden“ zu sehen. Darin geht es um die Wurzeln des kirchlichen Antijudaismus/-semitismus. „Wir müssen aushalten, dass die Juden Nein zu Jesus sagen, ohne die Juden dadurch abzuwerten.“ Im Rahmen des Begleitprogramms wird es um Erneuerung nach der Schoah und um die jüdische Gemeinde von Ulm im Mittelalter gehen.


500 Jahre nach der Reformation will die ökumenische Gemeinschaft Unitá Dei Cristiani mit einer Tagung am 2./3. April in Ulm „deutliche Impulse setzen, um die Ökumene weiter nach vorne zu entwickeln“, heißt es in der Einladung. Ehrengäste der Tagung sind Kadinal Kurt Koch aus Rom und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Dekan Ernst-Wilhelm Gohl erhofft sich von der Tagung Beiträge zu aktuellen drängenden Fragen wie der Flüchtlingskrise: „Es wäre toll, wenn auf diese Weise von Ulm ein Weckruf ausgehen würde.“


Über das ganze Jahr gelegt


Die Kirchengemeinden der Stadt und der Region tragen mit eigenen Veranstaltungen zum vielstimmigen Programm des Jubiläumsjahrs bei. Für Wulz ist das „ein Gewebe, das über dieses Jahr gelegt wird“. Höhepunkt und Abschluss wird der Reformationstag am 31. Oktober sein. Für die Prälatin steht als Arbeitstitel „Wir sind Reformation“ fest: Damit der Blick dann nicht mehr zurückgeht, sondern in die Gegenwart, ins Leben der Menschen. „Da wollen wir das große Thema konkret ins Leben der Menschen holen.“


Info Auf der Internet-Homepage reformation-ulm.de stellen alle Beteiligten ihre Programmpunkte ein: Stadt archiv, Kirchengemeinde, Volkshochschule und Haus der Begegnung. Die Neu-Ulmer haben ihr Programm zum Reformationsjubiläum unter das Motto „Credo 2017“ gestellt. Es gibt Flyer und das Programm findet sich ebenfalls im Internet.

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