Besser leben in Afrika... das muss Ziel de Politik aller Parteien sein..

12. September 2017

Lesen SIE bitte die NUZ

Besser leben in Afrika
Fluchtursachen Kriege im Nahen Osten und wirtschaftliche Not sind für den Flüchtlingsdruck auf Europa verantwortlich. Dagegen gibt es Strategien. Kern ist: Die Menschen sollen zu Hause ein gutes Leben führen können

Von Winfried Züfle

Bevor Mary zur Machete greift, zieht sie die Gummistiefel an. Man kann ja nie wissen, welches Getier in dem Unkraut herumkriecht, das sie nun mit kräftigen Hieben beseitigen wird. Unter ihren Bäumen duldet „Madam Mary“, wie sie genannt wird, keinen Wildwuchs. Sie muss schließlich die Pflanzen pflegen, die ihren Lebensstandard sichern.

Mary hat eine kleine Farm in der Region Brong-Ahafo im Westen Ghanas, unweit der Grenze zur Elfenbeinküste. Das Anwesen besteht aus zwei Hütten, bewohnt von der 62-Jährigen und ihren beiden jüngsten Söhnen, bewacht von einem aufmerksamen kleinen Hund und bevölkert von einer Schar Hühner. Rund um die Hütten wachsen Bananen und Orangen, vor allem aber Cashewnüsse.

Die Nüsse bringen Cash, also das Geld. Immerhin so viel, dass Mary, die vor 15 Jahren ihren Mann verloren hat, alle sechs Kinder weiter in die Schule schicken konnte. Der Älteste hat inzwischen sogar studiert und lebt in der Hauptstadt Accra. Das Geld reichte im Übrigen auch, um ein Motorrad anzuschaffen. Und die auf dem Hof lebenden Söhne besitzen Smartphones – wie die meisten jungen Leute in Ghana.

Es ist ein Leben ohne Not, aber auch ohne Luxus, das die Familie inmitten von Cashew-Bäumen führt. Ihnen hat sie ihren bescheidenen Wohlstand zu verdanken. Besonders in den Monaten März bis Juni, wenn in Ghana kein Regen fällt und es wenig zu ernten gibt, ist die Familie dankbar für die Einkünfte, die ihnen der Verkauf der Cashewnüsse beschert.

Den Cashew-Baum, der ursprünglich aus Südamerika stammt, gibt es schon lange in Afrika. Aber oft wurde nur die apfelartige Frucht gegessen, deren Geschmack mehr an eine Orange als an einen Apfel erinnert. Die Cashew-„Nuss“ dagegen, die biologisch gesehen keine Nuss, sondern der Kern der Frucht ist, wurde oft weggeworfen. Denn wer die harte Schale knackt, bekommt es mit einer ätzenden Schalenflüssigkeit zu tun. Wird die Nuss aber erhitzt und professionell bearbeitet, entsteht ein köstlicher Snack, der auf der ganzen Welt gefragt ist. Cashew-Bauern, die zuvor ein Trainingsprogramm durchlaufen haben, leben heute zumeist in gesicherten Verhältnissen. So wurden mit dem von vielen staatlichen und privaten Partnern getragenen Programm „ComCashew“ seit 2009 in den westafrikanischen Staaten Ghana, Elfenbeinküste, Burkina Faso und Benin sowie in Mosambik im Südosten des Kontinents mehr als 400 000 Bauern geschult. Im Auftrag des Entwicklungsministeriums ist die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) maßgeblich an dem Projekt beteiligt. Den Bauern werden Pflanztechniken vermittelt, bessere Methoden der Ernte und Lagerung beigebracht, und sie werden ermutigt, sich zusammenzuschließen und ihre Ernte gemeinsam zu vermarkten, um so bessere Preise zu erzielen.

In Ghana konnten die Kleinbauern auf diese Weise ihren – immer noch bescheidenen – Verdienst fast verdreifachen. Außerdem entstanden im Rahmen von „ComCashew“ 6000 neue Jobs in Fabriken, die jetzt in Afrika die Nüsse verarbeiten und weltweit exportieren. Solche Erfolgsgeschichten nennt man heute „Fluchtursachen-Bekämpfung“.

Entwicklungsminister Gerd Müller sagt: „Wir müssen die Lebensbedingungen der Menschen vor allem in Afrika allgemein verbessern.“ Denn er weiß: Die Fluchtbewegung, die seit 2015 verschärft auf Europa zukommt, speist sich aus zwei Quellen – aus den Kriegen vor allem im Nahen Osten und aus der Armut in Afrika. Beide Ursachen will er bekämpfen. „Um Afrika zu helfen, müssen wir drei Aufgaben anpacken“, erläutert der Politiker aus Kempten im Gespräch mit unserer Zeitung: „Erstens müssen wir mehr öffentliche Mittel in der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen und damit vor allem Leuchtturmprojekte beispielsweise im Energiesektor fördern.“ Aber mit öffentlichen Geldern alleine ließen sich die Probleme Afrikas, etwa bei der Nahrungsversorgung, nicht lösen. „Darum müssen wir, zweitens, die Privatwirtschaft zu Investitionen in diesen Ländern anregen, und drittens den Handel fair gestalten.“

Da holpert es noch. Denn während europäische Länder auf der einen Seite Entwicklungshilfe leisten, macht die EU auf der anderen Seite den Markt für Kleinbauern teilweise kaputt. Etwa durch den Export subventionierter und daher billiger Tomaten. Damit wird dann etwa in Ghana heimischen Erzeugern das Wasser abgegraben. Müller, der frühere Landwirtschafts-Staatssekretär, muss einräumen: „Für die Landwirtschaft in der EU gibt es eine Flächenförderung – das kann man als indirekte Subvention verstehen.“ Da in Afrika nichts Vergleichbares existiere, hätten dort die Landwirte einen Wettbewerbsnachteil. „Da muss etwas geschehen“, fordert Müller, der auch für eine einfachere Zulassung von Importen aus Afrika in die EU plädiert.

Der Entwicklungsminister, der als Erfinder des „Marshallplans mit Afrika“ international viel Aufsehen erregt hat, bewertet es als Erfolg, dass auf dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg intensiv über Afrika und auch mit afrikanischen Staatsmännern diskutiert wurde. Aber der CSU-Politiker ist überzeugt: „Diese Herausforderung wird uns noch die nächsten 50 Jahre beschäftigen.“

„Unabhängig davon müssen wir aber auch Kriegsflüchtlingen helfen – dabei stehen der Wiederaufbau und Rückkehrer-Programme im Vordergrund“, sagt Müller. „Im Irak passiert das bereits, auch in Syrien können wir jetzt damit beginnen. Die meisten Menschen wollen in ihrer Region bleiben. Wir müssen und können ihnen dabei helfen.“

Zurück in den Cashew-Hain von „Madame Mary“. Früher war sie Kakao-Bäuerin. Denn Kakao ist das Hauptexportprodukt der ghanaischen Landwirtschaft und verspricht den höchsten finanziellen Ertrag. Aber die Kakaobäume brauchen viel Regen – und der wird in Zeiten des Klimawandels in manchen Landesteilen zunehmend knapp. Cashew-Bäume dagegen begnügen sich mit weniger Wasser – sie trotzen dem Klimawandel. Auch deswegen hat es sich für Mary gelohnt, dass sie vor 16 Jahren, damals noch mit ihrem Mann, die ersten Cashew-Setzlinge eingepflanzt hat. Als stattliche Bäume garantieren sie heute noch einen guten Ertrag.

Mary hat gekocht. Es gibt Fufu, den landestypischen Stampf aus Wurzelknollen der Yam-Pflanze und grünen Kochbananen. Dazu reicht sie eine pikante Soße. Man tunkt mit den Fingern kleine Fufu-Ballen in die Flüssigkeit. Ein nahrhaftes und schmackhaftes Mahl – besonders, wenn man es im angenehmen Schatten eines Cashew-Baums genießen kann.

Die Cashew-Verarbeitung ließ in der Stadt Mim in Ghana neue Jobs entstehen.

Auch sie sollen eine Zukunft in Afrika haben: die Buben, die in Ghana unter einem Cashew-Baum sitzen. Bauern, die Cashewnüsse produzieren, haben oft ein höheres Einkommen und können ihre Kinder zur Schule schicken. Fotos (2): Winfried Züfle

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