BTW 17 C. LIndner im Interview

13. September 2017

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„Wir haben uns als Partei erneuert“
Interview Christian Lindner will die FDP wieder zurück in den Bundestag führen. Neben Themen wie Bildung, Digitalisierung und Steuerentlastungen fordert er einen Kurswechsel in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik

Herr Lindner. Kein Wahlkampf ist so auf eine Person zugeschnitten wie Ihrer. Kommt in der FDP erst Christian Lindner – und dann lange nichts?

Lindner: Wir sind eine Partei ohne Minister und Bundestagsabgeordnete und müssen daher andere Wege gehen. Das sind nun mal die Gesetze der Mediendemokratie. Aber wichtiger als der, der auf den Plakaten zu sehen ist, ist das, was in unserem Programm steht. Bildung, Digitalisierung, geordnete Zuwanderung: Wir geben uns nicht länger mit dem Status quo zufrieden, und das drückt sich vielleicht auch in mutigeren, ungewöhnlichen Plakaten aus.

In den Umfragen liegen die Liberalen wieder bei acht bis zehn Prozent. Was machen Sie besser als vor Ihnen Guido Westerwelle und Philipp Rösler?

Lindner: Wir haben uns als Partei erneuert und vertreten heute einen Rundum-Liberalismus. Wir wollen den Einzelnen stark machen, durch beste Bildung beispielsweise, und ihn vor Bespitzelung und Bevormundung, übermächtigen Konzernen und den maßlosen Abkassierern des Steuerstaates schützen. Viele Wähler wünschen sich offenbar wieder eine solche Partei im Bundestag.

Sie sagen, die FDP sei die Partei der vernünftigen Mitte. Erklären Sie uns doch mal am Beispiel der Flüchtlingspolitik, was Sie damit meinen.

Lindner: Wir müssen klar trennen zwischen Flüchtlingen und Einwanderern, da ist seit 2015 vieles durcheinandergeworfen worden. Flüchtlinge erhalten unseren Schutz und unsere Hilfe – allerdings nur so lange, bis sie wieder in ihre alte Heimat zurückkönnen. Die Rückkehr nach Kriegsende muss die Regel sein. Diejenigen, die auf Dauer bleiben dürfen, wählen wir nach Kriterien wie Sprachkenntnissen, Berufsausbildung und Rechtstreue aus.

Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Einerseits wollen Sie Flüchtlinge zurückschicken, andererseits sollen genau diese Flüchtlinge ihre Familien erst einmal nachholen dürfen.

Lindner: Wir müssen auch beim Abschieben von illegalen Einwanderern besser werden. Dann gilt, dass Flüchtlinge, die hier bei uns leben, auch ihre minderjährigen Kinder nachholen können sollen. Aber gemeinsam kann die Familie dann nur so lange bleiben, bis der Krieg in ihrer Heimat zu Ende ist. Wenn sie die Kriterien für einen dauerhaften Aufenthalt aus einem Einwanderungsgesetz danach nicht erfüllt, muss sie auch wieder ausreisen.

Die Grünen werfen Ihnen vor, Sie machten die FDP so zu einer Art AfD light. Fischt die Partei der vernünftigen Mitte jetzt am rechten Rand?

Lindner: Dieser Vorwurf sagt mehr über die Grünen aus als über uns. Wer die Partei Hans-Dietrich Genschers, die sich der Liberalität verpflichtet fühlt, in einen Topf mit der AfD wirft, schadet nicht uns, sondern verharmlost aus parteipolitischem Eigeninteresse die völkisch-autoritäre Gefahr für die politische Kultur, die von der AfD ausgeht.

Im letzten Wahlkampf hat die FDP große Steuererleichterungen versprochen und dieses Versprechen am Ende nicht einlösen können. Wo setzen Sie diesmal die Steuer-Axt an?

Lindner: Wir schwingen in diesem Wahlkampf nicht nur die Steuer-Axt, wir reden vor allem über Bildung, über Digitalisierung, über Europa und natürlich über die Flüchtlingspolitik. Aber ja: Wir wollen die Mitte der Gesellschaft durch niedrigere Steuern und Sozialabgaben entlasten, wir wollen die Stromsteuer und den Solidaritätszuschlag abschaffen und die kalte Progression bei der Einkommensteuer spürbar lindern. Wir denken an den Hartz-IV-Bezieher, der sich etwas dazuverdienen will, genauso wie an die Krankenschwester, den Polizisten oder den Ingenieur. 30 bis 40 Milliarden an jährlicher Entlastung sind auf jeden Fall möglich – und wären ein Gebot der Fairness. Managern, Fernsehmoderatoren oder Fußballprofis können wir dagegen keine große Entlastung versprechen.

Junge Familien, die sich eine Immobilie anschaffen, wollen Sie durch einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer entlasten. Wie soll das denn gehen? Diese Steuer ist eine Ländersteuer.

Lindner: Der Bund muss den Rahmen dafür schaffen, dass es einen Freibetrag für die erste selbst genutzte Immobilie geben kann. Nach unserem Konzept bezahlt eine Familie bis zu einem Immobilienwert von 500 000 Euro keine Grunderwerbsteuer. Viele Leute haben mit Mitte, Ende 30 gar nicht das Eigenkapital, um überhaupt eine Hypothek zu bekommen. Auch deshalb müssen wir mit niedrigeren Steuern und Sozialabgaben dafür sorgen, dass den Menschen mehr Spielraum bleibt. Eine eigene kleine Immobilie ist doch der beste Baustein für die Altersvorsorge. Mich besorgt, dass Frau Nahles in Zeiten von Vollbeschäftigung und immer höheren Steuereinnahmen von einer Erhöhung der Rentenbeiträge auf 22 Prozent spricht. Das ist kein Konzept, sondern eine Drohung.

In Nordrhein-Westfalen regieren Sie wieder mit der CDU, in Rheinland-Pfalz mit der SPD und den Grünen, in Schleswig-Holstein mit der Union und den Grünen. Heißt das, dass Sie auch im Bund offen sind für alle Bündnisse?

Lindner: Zur Vollständigkeit dieser Liste gehört auch Baden-Württemberg, wo wir Herrn Kretschmanns Angebot ausgeschlagen haben, mit den Grünen und der SPD zu koalieren. Wir treten nur in eine Regierung ein, wenn wir auch hinreichend viele unserer Ideen einbringen können und nicht nur unsere Sitze. Ansonsten gehen wir in die Opposition.

Was ist für die FDP denn unverhandelbar?

Lindner: Wir wollen Trendwenden in vielen Politikbereichen erreichen. Weg von einer chaotischen Zuwanderung, hin zu einer strategisch geordneten Einwanderung. Wir wollen kein Europa der Umverteilung, sondern der Zusammenarbeit. Keine weiteren Eingriffe in die Bürgerrechte, sondern mehr Sicherheit durch mehr Polizei und eine bessere Zusammenarbeit der Behörden. Am Sonntag werden wir eine Reihe dieser Trendwenden beschließen. Daran können die Bürger uns messen.

In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben Sie auch Quer- und Seiteneinsteiger zu Ministern gemacht, zum Beispiel einen ehemaligen Manager. Ist das auch ein Modell für eine Regierungsbeteiligung im Bund?

Lindner: Wir wollen ganz generell mehr Menschen aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft gewinnen. Eines der besten Beispiele dafür finden Sie vor Ihrer Haustüre in München: Thomas Sattelberger war ein Linker, dann Manager bei der Telekom und bei Conti und kandidiert nun im reifen Alter von mehr als 60 Jahren für uns für den Bundestag.

Guido Westerwelle hat 2009 den Fehler gemacht, nicht das Finanzministerium für die FDP zu beanspruchen. Angenommen, die FDP regiert wieder mit: Wo sehen Sie sich selbst?

Lindner: Noch sind wir nicht einmal im Bundestag – geschweige denn in Regierungsverantwortung. Eines allerdings kann ich sagen: Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Natürlich werden wir wieder Fehler machen, weil Menschen nicht unfehlbar sind. Aber wir machen sicher nicht die gleichen Fehler ein zweites Mal. Interview: Rudi Wais

Christian Lindner ist seit Dezember 2013 Bundesvorsitzender der FDP. Der 38-Jährige hat Politik, Staatsrecht und Philosophie studiert, er war Unternehmensberater und Unternehmer, Landtagsabgeordneter, Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär seiner Partei. Er ist mit einer Journalistin verheiratet und zurzeit Fraktionschef im nordrhein-west-fälischen Landtag. Nach der Bundestagswahl will er nach Berlin wechseln.

FDP-Chef Christian Lindner: „Wir treten nur dann in eine Regierung ein, wenn wir dort auch hinreichend viele unserer Ideen einbringen können.“ Foto: Imago

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