Verfassungsschutz beobachtet die Region..

15. September 2017

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Verfassungsschützer haben Region im Blick
Rechtsextremismus Nach der provozierenden Plakataktion der sogenannten „Identitären Bewegung“ bei der Illertisser Gartenlust ermittelt die Polizei. Die Gruppierung ist schon früher negativ aufgefallen

Von Jens Carsten

Landkreis Auch wenn augenscheinlich keine Straftat begangen wurde: Die Ermittler wollen dennoch herausfinden, wer ein provozierendes Plakat bei der Illertisser Gartenlust aufgehängt hat. Das sagte Jürgen Krautwald, der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West in Kempten, auf Anfrage. Der Hintergrund: Bei dem Urheber handelt es sich wohl um die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (IBD), die wegen ihrer rechtsextremen Haltung von Verfassungsschützern beobachtet wird. Die Vereinigung sei für Aktionen mit Spruchbannern bekannt und in Bayern zuletzt sehr aktiv gewesen, heißt es im jüngsten Bericht des zuständigen Landesamts von Ende Juli. Auch hier in der Region, wo es nach Angaben der Beobachter eine engagierte Gruppe der IBD gibt.

Aufmerksamkeit erreichten deren Mitglieder kürzlich beim Nabada im Rahmen des Schwörmontags in Ulm, als über der Donau auf Höhe des Edwin-Scharff-Hauses in Neu-Ulm ein Spruchband aufgehängt wurde. Damals gab es Kritik an der Polizei, die sich dabei angeblich zögerlich verhalten hatte. Zuschauer hätten damals ihre Kletterausrüstungen geholt und das Transparent abgehängt (wir berichteten) . Im sozialen Netzwerk Facebook wurde die Aktion von Sympathisanten gefeiert.

Diese Vorgehensweise sei typisch für die IBD, die sich der sogenannten Guerilla-Taktik von Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace oder Amnesty International bediene, heißt es in dem Verfassungsschutzbericht. Oft würden Banner an symbolisch bedeutsamen Orten gehisst, als Beispiele werden das Brandenburger Tor in Berlin und die Frauenkirche in München genannt. Aktivitäten wurden zuletzt unter anderem bei einer Tagung der CSU-Landtagsfraktion im Kloster Seeon, an einem Reiterstandbild in Memmingen und am Bismarckturm in Augsburg registriert – und am Balkon des Münchner Rathauses, zu dem sich Mitglieder der Gruppe offenbar im Rahmen eines Tags der offenen Tür Zutritt verschafften. Die Handlungen würden teils auf spektakuläre Weise meist von wenigen Aktivisten ausgeführt, wissen die Verfassungsschützer.

Die Ideologie der Bewegung wird von Beobachtern als rassistisch bezeichnet: Die Anhänger gingen gedanklich von einer Art europäischer Leitkultur aus, die es zu schützen gelte, etwa vor einer – wie auch immer gearteten – Islamisierung. Bei der Verbreitung dieser Auffassung, meist durch Plakate mit kurzen Slogans, verwendet die IBD nach Angaben der Verfassungsschützer üblicherweise nicht die typischen Begriffe der rechtsextremistischen Szene. Ziel sei es viel mehr, den Rassismus „modern und hip“ zu machen, urteilte Extremismusforscher Alexander Häusler in einem Interview mit Puls , einem Jugendkanal des Bayerischen Rundfunks.

Nun wurde Illertissen zum Ziel der rechten Stimmungsmacher: Zwischen zwei Bäumen nahe der Jungviehweide prangte das Banner, das am Samstagmorgen bei der „Gartenlust“ von einem Besucher entdeckt wurde. Offenbar eine vorbereitete Aktion, hieß es. Denn das Spruchband habe genau in die Lücke gepasst. Zusammen mit dem Kreisverband Neu-Ulm/Günzburg der NPD gehöre die örtliche Gruppierung der IBD in der Region aktuell zu den aktivsten Fraktionen, die im Fokus der Verfassungsschützer stehen. Das ergab eine Anfrage beim zuständigen Landesamt in München. Die Überwachung sei begründet: Grundsätzlich verstehe sich der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem. Es gehe darum, „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erkennen und zu analysieren und diese Erkenntnisse weiterzugeben“, teilt man mit. Der Beobachtungsauftrag umfasse die gesamte rechtsextremistische Szene, einschließlich ihrer regionalen Teilgliederungen. Die IBD steht dabei im Blick: „Durch die Beobachtung (...) gewinnen wir Erkenntnisse über das Personenpotenzial (...), ihre Ziele und Ideologie, ihre Strategie und ihren Aktionismus.“ Die Erkenntnisse teile das Amt nicht nur mit der Öffentlichkeit, etwa durch regelmäßige Berichte, sondern es stehe auch mit den Polizeibehörden im engen Austausch, heißt es. Wie die Verfassungsschützer dabei konkret vorgehen, geben sie auf Nachfrage nicht bekannt. „Wo wir welche nachrichtendienstlichen Mittel einsetzen, können wir gegenüber der Öffentlichkeit nicht kommunizieren, da wir uns sonst für unsere Beobachtungsobjekte durchschaubar machen würden und der Erkenntnisgewinn somit erheblich erschwert wäre.“

Es gebe bislang noch keine Anhaltspunkte, wer das Plakat in Illertissen aufgehängt hat, sagte Polizeisprecher Krautwald. Das Spruchband wurde vom Veranstalter abgehängt und der Polizei übergeben. Der Slogan auf dem Banner „Grüne Gärten statt grüne Politik“ sei zwar nicht strafbar. „Wir wollen trotzdem wissen, wer dahinter steckt“, so Krautwald. Unklar sei, ob sich die Urheber Zutritt zum „Gartenlust“-Gelände verschafft hätten oder als Besucher vor Ort gewesen seien. Die Kriminalpolizei in Neu-Ulm ermittelt. »Kommentar

Die Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz haben die rechtsextreme Szene in der Region im Blick. Zahlreiche Personen stehen unter Beobachtung – das ergab eine Anfrage unserer Zeitung bei der Behörde. Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa

Versammlung mit gelben Bannern: Die sogenannte „Identitäre Bewegung“ versucht, rechtsextreme Gedanken deutschlandweit zu verbreiten. Foto: Paul Zinken/dpa

Die „Gartenlust“ wurde zum Ziel „rechter“ Stimmungsmache. Foto: Brücken

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