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26. Juli 2017

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Widerstandskämpfer auf der Kanzel

Gedenken Der Söflinger Pfarrer Franz Weiß wurde vor 125 Jahren geboren. Die katholische Kirchengemeinde erinnert jetzt an den mutigen Geistlichen, der sich von den Nazis nicht einschüchtern ließ. Von Verena Schühly


Drohungen, Hausdurchsuchungen, Nachstellungen der Gestapo und selbst das Gefängnis, in dem die Nazis ihn ein Jahr lang festsetzten, haben den Söflinger Pfarrer Franz Weiß nicht eingeschüchtert: Er leistete weiterhin aktiv Widerstand gegen das Regime der Nationalsozialisten. Von 1932 bis 1939 war Weiß Gemeindepfarrer in Mariä Himmelfahrt und „in schwierigen Zeiten einer der profiliertesten katholischen Geistlichen in Ulm“, heißt es über ihn im Biografischen Lexikon für Ulm und Neu-Ulm.


Für Silvester Lechner, den früheren Leiter des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg, ist Weiß „vielleicht der Kämpferischste im Klerus der Diözese Rottenburg“. In seinen Predigten prangerte er die Rassenideologie der Nationalsozialisten an und kämpfte gegen die Unterdrückung der Religion. Dabei bekam er am eigenen Leib Repressalien zu spüren: Die Nazis machten ihm den Prozess, er saß ein Jahr lang im Gefängnis am Frauengraben, wurde aus Ulm verbannt, weiterhin ständig von der Gestapo beobachtet und verfolgt – bis die NS-Herrschaft endete.


Geboren wurde Franz Weiß am 30. Juli 1892 in Schnaitheim. Er wuchs in Dorndorf auf, machte Abitur und studierte von 1910 bis 1914 in Tübingen katholische Theologie. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Weiß, der gerade das Examen abgelegt hatte, als Freiwilliger. 1916 wurde er bei Verdun schwer verwundet, bekam für seine soldatischen Leistungen das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse verliehen.


Nach Kriegsende ging er ins Priesterseminar und wurde 1920 zum Priester geweiht. Als Vikar war Weiß in Herrlingen und Oberndorf tätig, ehe er im August 1922 erstmals nach Ulm an die Georgskirche kam und bis Mai 1924 blieb. Dann wechselte er als Pfarrverweser nach Göllsdorf und wurde schließlich Pfarrer in Wäschenbeuren.


Im Juli 1932 übernahm Franz Weiß die Pfarrstelle von Söflingen. Ein halbes Jahr später ergriffen die Nazis die Macht. „Ulm wurde von den neuen Machthabern als Hochburg des Nationalsozialismus gepriesen. Der Vor ort Söflingen dagegen war zu einer Barriere der Ablehnung der neuen Weltanschauung geworden, und Pfarrer Weiß sein kühner Mittelpunkt, der Mut und Festigkeit ausstrahlte. Wo immer er einen Übergriff der staatlichen Willkür feststellte, wies er ohne Zögern in aller Öffentlichkeit darauf hin“, schreibt Inge Aicher-Scholl anlässlich seines Todes. Sie attestiert ihm ein „außergewöhnliches und mitreißendes Selbstbewusstsein“. Er stärkte seinen Zuhörern Sonntag für Sonntag den Rücken in seinem Bemühen, „die anderen zu kräftigen, dass sie sich nicht beugen“.


Er versuchte, 1937 unter katholischen Geistlichen, die wie er im Ersten Weltkrieg Frontoffiziere gewesen waren, ein Widerstandsnetz unter dem Namen „acies ordinata“ aufzubauen. Dafür war er in ganz Deutschland unterwegs, hatte Kontakt mit Rupert Mayer, Bischof Sproll und Kardinal Michael Faulhaber. Allerdings scheiterte das Projekt 1938 am mäßigen Interesse des Klerus.


Unterrichtserlaubnis entzogen


Weil Pfarrer Weiß sich immer wieder mit dem NS-Regime anlegte und die Rassenideologie kritisierte, wurde ihm 1936 vom württembergischen Ministerium des Kirchen- und Schulwesens die Erlaubnis zum Erteilen von Religionsunterricht entzogen.


In der Folge kam es zum Söflinger Schulstreik: Die Nazis machten aus der katholischen Volks- eine Einheitsschule. Weiß ermunterte die Eltern, ihre Kinder aus dieser Schule zu nehmen – woraufhin die Schulbehörde eigene Konfessionsklassen an der Friedrichsau-Schule einrichtete, wo die Söflinger Lehrer weiter unterrichten konnten. Weiß organisierte mit den Eltern einen Busverkehr, der die Schüler täglich in die Au-Schule nach Ulm brachte. Allerdings untergruben die Nazis den Widerstand nach zwei Wochen, indem sie den Busunternehmern mit dem Entzug der Fahrlizenz drohten und den Vätern mit der Entlassung bei Magirus.


Weiß ließ sich trotz Sanktionen und Druckmittel der Nazis wie SA-Aufmärschen vor dem Pfarrhaus, Drohungen und Hausdurchsuchungen, nicht einschüchtern und hielt weiterhin regimekritische Predigten. Am Karfreitag 1939 wurde er nach dem Gottesdienst verhaftet. Am 20. Juni wurde ihm der Prozess gemacht. Er wurde wegen „Heimtücke und Kanzelmissbrauchs“ zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt und sollte anschließend des Landes verwiesen werden. Er kam ins Gefängnis am Frauengraben, wo man ihn zur Entfernung des Eisernen Kreuzes nötigte, das er eigens angelegt hatte.


Am 12. April 1940 wurde Weiß nach zehnmonatiger Haft entlassen und im Söflinger Pfarrhof begeistert empfangen. Doch noch im selben Monat wurde er „lebenslänglich“ des Landes Baden-Württemberg verwiesen und von der Gestapo nach Meersburg an den Bodensee gebracht. Anfang Juli pensionierte das NS-Regime den 48-Jährigen.


In den folgenden Jahren schloss sich Weiß der Schönstatt-Bewegung an und hielt – immer weiter unter strenger Beobachtung der Gestapo – bis zu 40 Predigten in der Woche: „Da habe ich mehr Leute gegen die Nazis beeinflusst, als ich das in Söflingen hätte tun können“, sagte er später im Rückblick auf jene Zeit. Ab und zu kam er verbotenerweise zu Besuchen nach Söflingen.


Nach Kriegsende wirkte Franz Weiß erst als Seelsorger für Evakuierte in Bad Hersfeld, ehe er im November 1945 als Pfarrer in Illerrieden investiert wurde. 1951 kam er nach Ulm zurück, als Stadtpfarrer der Georgskirche, und blieb dort bis 1957. Anschließend war er bis 1962 Krankenhausseelsorger in Ulm. Seine Ruhestandsjahre verbrachte er als Hausgeistlicher der Schönstatt-Siedlung Liebfrauenhöhe in der Nähe von Rottenburg. Er starb am 2. November 1985.


Zu seinem 100. Geburtstag hat Otl Aicher, der Weiß freundschaftlich verbunden war und ihn in der Jugendarbeit von Mariä Himmelfahrt kennengelernt hatte, ein Gedenkrelief am Söflinger Pfarrhaus gestaltet. Darauf steht: „Er war ein mutiger Prediger und aufrechter Kämpfer gegen die Diktatur des Dritten Reiches und die Unterdrückung der Religion.“

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