Ulm bekommt ein neues Forschungszentrum fürf seltene Erkrankungen

27. Februar 2018

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„Die Zukunft hat schon begonnen“

Medizin Für Prof. Albert Ludolph erfüllt sich ein Lebenstraum. Ulm bekommt ein Forschungsinstitut für seltene Erkrankungen.


Ulm. „Selten“, ein relativer Begriff. Von 80 Millionen Menschen in Deutschland sterben – auf die Lebenszeit verteilt – 200 000 an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), jener degenerativen Erkrankung des Gehirns, die zu vollständigem Muskelschwund führt.


„Ist das selten?“, fragt Prof. Albert Ludolph, um gleich die Antwort zu geben. „Es erscheint uns nur so. Auch, weil die meisten Patienten nur wenige Jahre überleben.“ Die Folge: Die Krankheit ist wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert, hat – anders als Krebs – keine Lobby. Auch die Forschung habe ALS lange zu wenig Beachtung geschenkt, sagt Ludolph, der sich seit 40 Jahren mit der Krankheit beschäftigt. „Da war dringend ein Schub nötig.“


Jetzt ist es endlich so weit. Mit der Eröffnung des Ulmer Standorts des Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen am morgigen Mittwoch (siehe Infokasten) rücken die Krankheiten ALS, Frontotemporale Demenz (FTD) und Chorea Huntington in den Mittelpunkt der Forschung. In Ulm profitieren die Forscher dabei unter anderem vom ALS-Register Schwaben, das eine Region mit rund 8,5 Millionen Einwohnern abdeckt. Dadurch konnten Neurowissenschaftler und Epidemiologen zum Beispiel erstmals die Erkrankungshäufigkeit in Deutschland berechnen.


Bei der Frontotemporalen Demenz handelt es sich Ludolph zufolge um die dritthäufigste Demenzform. „Es ist eine dramatische Erkrankung, die im Alter von 50 Jahren beginnt, mithin Menschen trifft, die im Leben stehen.“ Zwar ist die Gedächtnisleistung zumindest in früheren Stadien voll vorhanden, die Patienten werden jedoch impulsiv, beratungsresistent, verlieren ihre Empathie. Ludolph erwähnt in diesem Zusammenhang die Geschichte eines an FTD erkrankten Arztes, der eines Tages in seiner Sprechstunde alle Patienten nach Hause schickte. „Sie sind gesund.“


Auch bei Chorea Huntington handelt es sich um eine schwer verlaufende Erbkrankheit, die früher „erblicher Veitstanz“ genannt wurde. Sie beginnt im frühen Lebensalter zwischen 30 und 40, äußert sich ebenfalls in beginnender Demenz, gepaart mit Überbeweglichkeit und Unruhe.


Noch gelten alle Krankheiten als unheilbar. Doch Wissenschaftler um den ebenfalls in Ulm forschenden Prof. Bernhard Landwehrmeyer haben Genvarianten entdeckt, die den Krankheitsbeginn von Chorea Huntington beeinflussen. Zudem laufen vielversprechende klinische Studien, in denen das Huntington-Gen „ausgeschaltet“ werden soll.


Auch bei einer mit ALS eng verwandten Krankheit, der bei Kindern vorkommenden spinalen Muskelatrophie, verzeichnen die Ulmer Forscher Erfolge: mit einer Therapie, die die Eiweißproduktion anregt und so auf eine Veränderung des genetischen Defekts abzielt. Kinder, die noch vor drei Jahren unweigerlich binnen sechs Monaten an Atemschwäche starben, überleben und können sogar laufen. „Die Zukunft hat bereits begonnen“, sagt Ludolph.


Zudem könne die Medizin schon heute viel für Patienten tun. „Nihilismus ist fehl am Platz“, sagt der Neurologe. So gibt es Medikamente, die den Verlauf aller drei Krankheiten günstig beeinflussen. ALS-Patienten etwa werden beatmet oder bekommen technische Hilfen, so dass sie über die Augen kommunizieren können. Auch mit richtiger Ernährung lasse sich viel bewirken. Ludolph warnt in diesem Zusammenhang vor der „Arroganz der Gesunden“, die ALS-Patienten oft so beurteilten, als sei deren Leben nicht mehr lebenswert. „Das Gegenteil ist der Fall.“


⇥Christoph Mayer

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