Ein Leben für den Frieden...

27. August 2017

ein Mann hat seine Aufgabe gefunden...
Lesen SIE bitte die SWP..

Ein Leben für den Frieden

Rüstungsgegner Jürgen Grässlin aus Freiburg ist ein mehrfach ausgezeichneter Pazifist, der sich in seiner Freizeit mit mächtigen Konzernen anlegt. Priorität hat für ihn trotzdem seine Arbeit als Pädagoge. Von Petra Walheim


Ich bin Super-Kapitalist“, sagt der Pazifist Jürgen Grässlin. Dann zählt er auf, von welchen Unternehmen und Konzernen er je eine Aktie hält: Daimler, Airbus/EADS, Deutsche Bank, Rheinmetall. „Ich habe sie erworben, um in den Hauptversammlungen meine Stimme erheben zu können“, betont er. Seine neueste Errungenschaft sind zwei Aktien des Oberndorfer Waffenherstellers Heckler & Koch. An dem arbeitet sich der Rüstungsgegner aus Freiburg seit mehr als 30 Jahren ab. In der Hauptversammlung von Heckler & Koch in der vergangenen Woche erlebt er eine Überraschung: Ihm wird zugehört. Er bekommt auf seine 45 Fragen konkrete Antworten. Er hört die Absichtserklärung des Unternehmens, künftig nur noch mit „grünen“ Staaten Waffengeschäfte zu machen. „Wir kommen unserem Zwischenziel, dem Stopp von Waffentransfers an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten mit großen Schritten näher“, sagt Grässlin. Der Weg dahin war lang und steinig.


Er sprudelt los, ist so voll Energie für das, was er tut, dass er davon stundenlang erzählen kann. Seine Geschichten handeln von illegalen Waffengeschäften, davon, was mit diesen Waffen in der Welt angerichtet wird. Er erzählt von Gesprächen mit Verkrüppelten und mit Angehörigen der Menschen, die mit deutschen Waffen getötet wurden. Das meiste ist nur schwer zu ertragen.


Grässlin kann damit umgehen. Die Horror-Geschichten, die ihm in Afrika und im Nahen Osten erzählt worden sind, treiben ihn nur noch mehr an, gegen die Rüstungsindustrie und illegale Waffenexporte in Krisen- und Kriegsgebiete zu kämpfen. Er und seine Mitstreiter gehen gegen die Verantwortlichen konsequent vor. So stellen sie – mit Unterstützung von Informanten – immer wieder Strafanzeigen wegen des Verdachts illegaler Waffenexporte. „Aktuell laufen fünf Strafanzeigen gegen Heckler & Koch und andere Rüstungsunternehmen.“


Die Konzerne haben ihrerseits versucht, gegen Grässlin vorzugehen. „Jahrzehntelang ging es darum, mich finanziell auszubluten und mundtot zu machen. Doch die Rüstungs- und Auto manager sind auf ganzer Linie gescheitert.“ Grässlin wurde noch nie verurteilt. Im vergangenen Jahr hat er begonnen, seine Vorwürfe zu personalisieren. So wirft er den neun Mitgliedern des Bundessicherheitsrates „Beihilfe zum Mord“ vor. Dass er damit möglicherweise Persönlichkeitsrechte verletzen könnte, ist ihm bewusst. „Doch es passiert nichts.“ Seit er 2009 einen Prozess gegen den Daimler-Vorsitzenden Jürgen Schrempp wegen seiner personenbezogenen Konzernkritik gewonnen hat, „ist Ruhe im Karton“.


Im Lauf der Jahre hat Grässlin sich mit Friedensaktivisten weltweit verbunden. Er ist Mitbegründer und Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, an der weit mehr als 100 Gruppierungen beteiligt sind. „Zu 60 Prozent sind es kirchliche Organisationen“, schätzt Grässlin. „Das ist die breiteste Kampagne in der deutschen Geschichte gegen Rüstungsexporte.“


Grundwehrdienst im Allgäu


Vor 30 Jahren hat er das RüstungsInformationsBüro gegründet, ist dessen Vorsitzender. „Daraus ist das größte Archiv der Friedens- und Menschenrechtsbewegung zum Waffenhandel in Deutschland geworden.“ Studenten, Wissenschaftler, Friedensaktivisten nutzen die Dokumentationen und Unterlagen.


Grässlin hat zahlreiche Bücher geschrieben. Die Schulferien nutzt er für die Vorarbeiten für zwei neue Projekte. Er kann die Ferien nutzen, denn der Friedensaktivist ist auch noch Pädagoge mit vollem Deputat an der Lessing-Realschule in Freiburg. Und das mit der gleichen Leidenschaft und Freude, die er in die Friedensarbeit steckt. „Beruflich bin ich Pädagoge, in meiner Freizeit Friedensaktivist“, betont er.


Doch auch als Pädagoge ist er Friedensaktivist und trägt seine Liebe zu einer friedlichen Welt mit in die Schule. Das zeigt sich auch daran, dass bisher kaum einer seiner Schüler zur Bundeswehr gegangen ist. „Weil ich ihnen den Frieden vorlebe und zugleich ihre Meinung gelten lasse.“


Im Gegensatz zu seinen Schülern war Jürgen Grässlin sehr wohl bei der Bundeswehr. „Ja, ich habe gedient“, sagt er – und steht dazu: Er habe gerade mal ein Semester Pädagogik studiert, da sei er zum Grundwehrdienst nach Kempten im Allgäu eingezogen und später nach Ulm versetzt worden. „Ich lernte, das Schnellfeuergewehr G3 von Heckler & Koch mit geschlossenen Augen auseinander zu bauen und wieder zusammen zu setzen. Damals war ich noch kein Pazifist.“ Dann bekam er den Befehl, auf eine Metallplatte in menschlicher Silhouette mit Schlitzaugen zu zielen. „Du schießt dem Chinesen zwischen die Augen, wurde mir befohlen.“ Instinktiv habe er das verweigert. Für ihn ist seitdem klar, dass er niemals auf Menschen schießt. „An dem Tag wurde ich Pazifist. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine einzige Kugel abgefeuert.“ Grässlin wuchs zur zentralen Stimme gegen Rüstungsexporte, weit über Deutschland hinaus. „Ich sehe meine Lebensaufgabe darin, den Opfern eine Stimme zu geben und die Täter beim Namen zu nennen.“ Deshalb höre er nicht auf, zu recherchieren, aufzuklären, Bücher zu schreiben, Aktionen gegen die Rüstungsindustrie und Waffenexporte zu organisieren.


Weltweites Netzwerk


In drei Wochen wird Grässlin 60 Jahre alt. Für die nächsten zehn Jahre plant er, ein weltweites Netz aus Informanten, Journalisten, Kriegsreportern, Künstlern und Friedensbewegten aufzubauen. „Nur wenn wir uns weltweit vernetzen, werden wir den Waffenhändlern in der Industrie und deren Unterstützern in Politik, Banken und Lobbyverbänden das Handwerk legen können. Wir werden erfolgreich sein“, davon ist der Daueroptimist überzeugt.

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