Nie vergessen... an einzelnen Schicksalen die Erinnerung erhalten!

10. April 2017

Lesen SIE bitte die SWP

Zeugnisse eines großen Ulmers

Geschichte Sohn überlässt Archiv des Doku-Zentrums Oberer Kuhberg den Nachlass der Ulmer Familie Obermeier-Weißer – Die Sozialdemokratie zu Zeiten der Nazis. Von Hans-Uli Mayer


Die Nacht vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 verbrachte die Familie Weißer nicht mehr in ihrem Haus Sterngasse 11: Seit Wochen schon war die SA rechtsradikale Lieder singend vor dem Verlagsgebäude der „Donau-Wacht“ auf und abmarschiert und hatte zudem – je näher es auf die Wahlen ging – Wachposten vor dem Haus aufgestellt. Die Familie sollte nicht bewacht, sondern eingeschüchtert werden. Aber Johannes Weißer war als kritischer Journalist und als Sozialdemokrat schon Tage zuvor untergetaucht, Ehefrau Emma und die zehnjährige Tochter Marianne bei Freunden untergekommen.


Die NSDAP gewann die Wahl, schon in den ersten Tagen danach gab es im Hause Weißer rüde durchgeführte Durchsuchungen, am 10. März wurde die „Donau-Wacht“ verboten, am 11. März Johannes Weißer in Langenenslingen zwischen Riedlingen und Sigmaringen verhaftet und ins KZ Heuberg gesteckt, aus dem er erst Ende November entlassen wurde. Dies, nachdem er ein so genanntes „Treuebekenntnis ehemaliger Sozialdemokraten“ zum Nationalistischen Staat unterzeichnet hatte.


Weißer bekam Berufsverbot als Journalist. Vor dem Krieg hatte er Uhrmacher gelernt und sicherte sich und der Familie ein spärliches Auskommen, indem er Frontsoldaten die Taschenuhren reparierte. Im August 1944 war er nochmals für zwei Monate interniert gewesen. In der Zeit der ersten Inhaftierung ihres Mannes, von März bis Ende November 1933, war Emma Weißer völlig mittellos und musste mit ihrer Tochter Marianne von 90 Pfennig am Tag auskommen. Sie hatte das für sie gefährliche Ulm verlassen und in Konstanz Hilfe von Genossen erhalten.


Das sind nur wenige Episoden der Geschichte, die der Archivar des DZOK aus dem Nachlass Obermeier-Weißer herausgefiltert hat. Josef Naßl spricht denn auch von einem „einzigartigen Nachlass“, der einen guten Einblick in eine Familiengeschichte gebe, vor allem aber auch Zeitdokumente der Sozialdemokratie enthalte und ein gutes Bild der Stadtgesellschaft während des Dritten Reiches abgebe.


Die Familien Weißer und Obermeier-Weißer haben bis heute einen klingenden Namen in Ulm. Johannes Weißer hat nach dem Krieg gemeinsam mit Kurt Fried und Paul Thielemann von den Alliierten die Lizenz zur Herausgabe der „Schwäbischen Donau Zeitung“ erhalten, dem Vorläufer der heutigen SÜDWEST PRESSE. Bis zu seinem Tod am 8. April 1954 gehörte er der Chefredaktion an.


Die 2010 verstorbene Tochter Marianne Obermeier-Weißer dürfte vielen Ulmern noch zu Lebzeiten bekannt gewesen sein. Sie gehörte für die SPD dem Ulmer Gemeinderat von 1968 bis 1989 an und war selbst maßgeblich am Aufbau und der Etablierung des Dokumentationszentrums beteiligt. Sie war mit dem Kommunisten Walter Obermeier verheiratet, den sie in den Kriegswirren kennengelernt und 1948 in Ulm geheiratet hatte.


Ihr Sohn Hans Peter Obermeier, ein in Ulm lebender Architekt, hat den Familiennachlass jetzt dem Archiv übergeben und ist sich sicher, „dass es im Sinne meiner Eltern ist, dass ihre Geschichte aufgearbeitet und vor allem den jungen Menschen zugänglich gemacht wird“. Hans Obermeier diskutierte mit Archivar Naßl am Donnerstagabend in den Büroräumen des Doku-Zentrums über den Nachlass.


Er selber habe erst spät in die Politik und zur SPD gefunden, weil er als Kind wohl eine zu große Dosis von beidem abbekommen habe. „Bei uns Zuhause war immer etwas los. Es war ein sehr politisch motivierter Haushalt, was mir als Kind manchmal auch zu viel war“, sagte er.


Vor allem hat er als Kind durchaus gelitten unter dem Streit zwischen Großvater Johannes Weißer als Sozialdemokrat und dem kommunistisch denkenden Vater Hans Obermeier. Harmonisch seien die politischen Debatten jedenfalls nicht immer gewesen: „Da hat es teilweise ordentlich gekracht“, sagte er im Gespräch mit Archivar Naßl.

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