Neue Teillösungen für das Energie-Klimaproblem

13. Februar 2017

wie belastbar sind die Daten? Wir finden den Gedanken gut und werden uns damit beschäftigen!
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Die schwarze Vision

Technik Der Weißenhorner Christian Huck möchte den Kreis Neu-Ulm zum „Klima-Pionier“ machen – mit Pflanzenkohle, produziert im großen Stil. Von Andreas Spengler


An einem windigen Februartag steht Christian Huck auf seinem Balkon in Weißenhorn-Biberachzell und richtet den Zeigefinger auf den Horizont. Dorthin, wo jetzt die kahlen Felder liegen. Im Frühsommer sei es schlimm gewesen. Wenn auf den Feldern gespritzt wurde, habe er oft danach Bienen und Hummeln auf seinem Balkon gefunden, vier, fünf Stück. Lahm waren sie und meist seien sie auf den Fliesen verendet. „Da kommt man ins Grübeln.“ Huck glaubt, es könnte einen Zusammenhang geben – zwischen den toten Bienen auf seinem Balkon und dem Dünger auf den Feldern. Huck sagt, die Dinge sind aus dem Gleichgewicht gekommen. „Aber es ist noch nicht zu spät.“


Der 46-jährige Weißenhorner ist Visionär von Berufswegen: Als Innovationsmanager berät er Firmen bei neuen Technologien, mehrere Jahre lang war er Geschäftsführer des „Weiterbildungszentrums für innovative Energietechnologien Ulm“ (WBZU). Jetzt hat er eine Vision für die Natur vor seiner Haustür: Huck möchte den Landkreis Neu-Ulm „zum Klima-Pionier“ machen – mit Pflanzenkohle.


„Regio-Carbon“ hat er sein Projekt getauft. Mit Pflanzenkohle, glaubt er, könnte man zahlreiche Probleme lösen: den Düngemitteleinsatz verringern, Nitratwerte senken, das Klima schützen und zudem Energie erzeugen. Die Vorteile der Biokohle lägen auf der Hand: Als natürlicher Düngemittel-Träger bindet sie Nährstoffe und Wasser wie ein Schwamm und gibt diese langsam an die Pflanzen ab. Zudem muss weniger gedüngt werden, weil kaum Nitrat ausgewaschen wird. Und nicht zuletzt entzieht sie der Umwelt das klimaschädliche CO2, da der Kohlenstoff eingelagert wird.


In industriellem Maßstab will Huck deshalb eine Pyrolyseanlage (siehe Info) errichten. „Neue Kohle abzubauen, seh’ ich gar nicht ein“, sagt er. Aus Biomasse soll diese entstehen, also aus Holzresten, Sträuchern, Stroh, Hecken- und Grünschnitt, zum Beispiel. Selbst Fruchtkerne und Tierknochen könnten beigegeben werden. Material, für das es heute oftmals keine Verwendung gibt, das selbst für Biogasanlagen ungeeignet ist.


Die Idee, aus Biomasse Pflanzenkohle zu gewinnen, ist indes nicht neu. Kleinere Anlagen gibt es bereits in Deutschland. „Vielversprechende Ansätze, aber mir fehlt dabei die Rentabilität“, sagt Huck. Eine Tonne Pflanzenkohle kostet derzeit zwischen 700 und 1000 Euro, je nach Qualität. Huck will die Preise deutlich unterbieten und irgendwann „in die Fläche gehen“, also sein Konzept für eine Anlage auch in anderen Regionen anbieten. Vergleichbare große Anlage gibt es bislang nur in Staaten wie Finnland, der Schweiz, oder Rumänien – oft gefördert mit öffentlichen Geldern. Deutschland hingegen hat erst 2016 die Pflanzenkohle in die Düngemittel-Verordnung aufgenommen. Seitdem wächst auch hierzulande das Interesse an der Technologie.


„Bei uns gehen wöchentlich Anfragen ein“, sagt Raffael Schindele, Geschäftsführer der Firma „Gara Energy Systems“ aus Kaufbeuren. Als Ingenieursbüro ist sie auf die Planung und Umsetzung der Pyrolyseanlagen spezialisiert. Schindele sieht „einen klaren Trend“: „Die industrielle Produktion von Pflanzenkohle ist ein absoluter Zukunftsmarkt für die Landwirtschaft dieses Jahrhunderts.“ Den Kreis Neu-Ulm könne er sich gut als Standort vorstellen, weil sich Anlagen bei einem Einzugskreis zwischen 50 und 80 Kilometer besonders gut rechnen. Neben dem Kreis könnten somit Ulm und Neu-Ulm sowie die Alb, Oberschwaben und Bayerisch-Schwaben profitieren.


Auch mit Christian Huck aus Weißenhorn ist Schindeles Firma im Gespräch. Huck denkt über eine Zusammenarbeit nach – betont aber auch: Zunächst wolle er das Thema „völlig technologieoffen“ untersuchen. Mit einer Machbarkeitsstudie möchte er untersuchen, wie und wo die Kohle am besten hergestellt werden könnte: Standorte, Abnehmer, Zulieferer, Kosten, Technologien unter die Lupe nehmen. Sondierungsgespräche hätten ergeben, dass im Einzugsgebiet mehr Biomasse verfügbar wäre als nötig: mehr als 30 000 Tonnen pro Jahr. Daraus ließen sich etwa 6000 Tonnen Pflanzenkohle gewinnen, außerdem rund 8 Millionen Liter Pyrolyseöl sowie Strom und Wärme als Nebenprodukte.


Für die Machbarkeitsstudie möchte Huck eine „Leader“-Förderung beantragen, mit Geld aus Töpfen der Europäischen Union. Damit werden innovative Projekte in ländlichen Regionen unterstützt. Doch zunächst will er die Bürgermeister aus dem Kreis Neu-Ulm mit ins Boot holen und ihnen in den kommenden Monaten seine Projektidee vorstellen. Danach soll auch die Öffentlichkeit eingebunden werden.


Die Kosten für die Analyse schätzt Huck auf maximal 50 000 Euro in drei Jahren. Der Bau der Anlage könnte mit rund 8 Millionen Euro zu Buche schlagen, vom Bund würde sie voraussichtlich mit bis zu 5 Millionen Euro bezuschusst. Investitionen, die sich rechnen, glaubt Huck. Nach drei Jahren könnte sich die Anlage amortisiert haben. Doch ohnehin gehe es ihm um mehr als Geld, betont der Weißenhorner: um die Umwelt vor seiner Tür, und schlussendlich auch um die Bienen auf seinem Balkon.

 

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