Kliniken im Landkreis Neu-Ulm... noch ein weiter Weg ist zu gehen...

29. März 2018

Lesen SIE bitte die NUZ..

Klinikreform bleibt im Süden eine bittere Pille
Kommentar

von Jens Carsten

redaktion@nuz,.de

Es geht vorwärts in Sachen Krankenhausreform: Das war die Botschaft bei der Eröffnung der neuen Schmerztagesklinik in Illertissen. Die Freude bei den Verantwortlichen war spürbar. Wohl nicht allein die über das neue Angebot – sondern auch ganz allgemein darüber, dass die langen Debatten um das millionenschwere Defizit der drei Kliniken und mögliche Schließungen vom Tisch sind. Es kann aufgeatmet werden. Aber nur kurz. Es war sicher eine gute Nachricht für die Region, dass es zunächst mit allen drei Häusern weitergeht. Gelöst sind die viel zu lange übersehenen Probleme in der Kliniklandschaft aber noch nicht. Und schon gar nicht zu allgemeiner Zufriedenheit. Vieles bleibt zu tun. Das verlangt Augenmaß: Die Klinikreform bietet im Landkreis weiterhin Konfliktpotenzial zwischen Norden und Süden.

Zwar sollen die ins Auge gefassten Umstrukturierungen an den drei Standorten stabile Verhältnisse bringen. Aber greifen werden die Reformen wohl eher auf lange Sicht: Das zeigt sich an dem für dieses Jahr vorgesehenen Defizit in Höhe von rund 8,9 Millionen Euro. Für viele Illertisser bleiben die ins Auge gefassten Maßnahmen von Wirtschaftsprüfern, Klinikleitung und Kreisräten eine bittere Pille – Rettung hin oder her. Denn der Wunsch nach einer Wiederöffnung der Geburtenstation wird nicht umgesetzt. Und auch Operationen wird es an der Illertalklinik schon bald nicht mehr geben, man setzt fortan auf konservative Therapien ohne Eingriffe.

Eine vollwertige medizinische Versorgung, wie sie im Süden des Landkreises im Zuge der Klinikdebatten immer wieder gefordert worden war, haben sich viele Bürger wohl anders vorgestellt. Statt Babystation und Chirurgie gibt es Alters- und Schmerzmedizin – das könnte manch einer als Abwertung begreifen. Es würde in das Bild passen, wonach sich der Süden im Nachteil wähnt.

Als ungut erweist sich darüber hinaus der Rechtsstreit um Bestechungsvorwürfe durch die Bürgerinitiative „Geboren im Süden“, die sich für die Babystation in Illertissen eingesetzt hat. Kein Zweifel: Damals wurde es bei so mancher Diskussion polemisch. Viel wurde gesagt, einiges davon sollte man sicher vergessen. Und es dabei belassen. Letztlich traten die Bürger berechtigt für ihre Interessen ein: Juristisch nachzukarten wirkt nicht nur kindisch, es hält den Konflikt lebendig. Im Bemühen um Lösungen, mit denen auch der Süden leben kann, braucht das niemand.

Hilfe im Kampf gegen höllische Schmerzen
Medizin Am Illertisser Krankenhaus wurde gestern eine neue Tagesklinik offiziell in Betrieb genommen. Dort bringen Therapeuten den Patienten bei, mit schweren Leiden umzugehen. Denn eine Heilung gibt es meistens nicht

von Jens Carsten

Illertissen Es gibt Tage, da ist das Brennen in Händen und Füßen kaum auszuhalten: Fast als würde er seine Gliedmaßen in ein Feuer halten, sagt Hans Steiner aus Ulm. Manchmal lassen die Schmerzen zwar nach, aber ganz weg sind sie nie. Denn der 77-Jährige leidet an einer schweren Nervenerkrankung. Heilbar ist sie nicht und auch die stärksten Medikamente können die Qualen nicht ganz unterdrücken. „Das ist ziemlich nervenaufreibend“, sagt der Rentner, der seit zehn Jahren mit der Krankheit kämpft. Das fällt ihm nicht leicht. Doch nun hat er Hoffnung geschöpft: Steiner nimmt an einem Programm im Illertisser Krankenhaus teil. Seit Anfang des Jahres ist eine neue Tagesklinik in Betrieb, gestern wurde sie offiziell eröffnet. Dort werden Menschen mit chronischen Schmerzen behandelt.

Vier Wochen lang treiben sie Sport, machen Entspannungsübungen, tauschen sich aus. Multimodal heißt das im Fachjargon: Darunter verstehen Mediziner, wenn verschiedene Methoden gleichzeitig zum Einsatz kommen. Dafür sorgen Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Pflegekräfte. Das gemeinsame Ziel: Die Patienten sollen lernen, mit ihrem Leiden zu leben, sagt der Arzt und Schmerzexperte Gerhard Hege-Scheuing, der die Abteilung aufgebaut hat. Denn kurieren ließen sich die Qualen in den meisten Fällen nicht. Und Schmerzen sollten auch gar nicht voll und ganz unterdrückt werden, fügt der Mediziner an. Ansonsten könnten tödliche Krankheiten möglicherweise übersehen werden. Aber lindern ließen sich Beschwerden durchaus.

Daran arbeiten die Patienten in der neuen Abteilung im Erdgeschoss der Illertalklinik täglich mehrere Stunden. Dabei gehen sie an ihre Grenzen: Ein natürlicher Reflex bei Schmerzen sei es, die betreffende Körperstelle nicht zu bewegen, sagt Hege-Scheuing. „Aber man muss trotzdem trainieren und das dann auch später im Alltag tun.“ Anders als andernorts wird das in Illertissen nicht stationär gemacht: Die Teilnehmer betreten das Krankenhaus morgens und verlassen es nachmittags. Sie kommen aus einem Umkreis von etwa 30 Kilometern, weitere Wege seien vielen nicht zuzumuten, erklärt Hege-Scheuing. Die Nachfrage sei groß, in der Region gebe es wenige Anbieter von ambulanten Schmerztherapien. Im Kreis Neu-Ulm gebe es einen Hausarzt, einen weiteren in Memmingen. Dazu kämen die Kliniken in Ottobeuren, Kempten, Augsburg und Nördlingen. „Es gibt eine Versorgungsnotwendigkeit“, sagt Hege-Scheuing, der ausgebildeter Anästhesist ist und an Kliniken in Ulm in Würzburg arbeitete. Er rechnet vor: Gehe man davon aus, dass zehn Prozent der Bevölkerung an dauerhaften Schmerzen leiden (wie es Studien sagen), gebe es im Kreis Neu-Ulm 17 000 Betroffene. Wiederum zehn Prozent davon benötigten eine Therapie, so die Faustregel. Macht 1700 potenzielle Patienten für die neue Station.

Wo es nicht ums Geld verdienen gehe, wie Stiftungsdirektor Marc Engelhard betont. „Unser Konzept ist nicht maximale Rendite, sondern eine vernünftige medizinische Grundversorgung.“ Die Waage halten sollten sich Ausgaben und Einnahmen allerdings schon: Die Schmerztagesklinik werde wirtschaftlich betrachtet ein „Nullsummenspiel“ sein, heißt es. Im Hintergrund stehen die roten Zahlen der Kreiskliniken in Neu-Ulm, Weißenhorn und Illertissen. Wie hoch das Defizit ist, wurde vor eineinhalb Jahren von Wirtschaftsprüfern entdeckt. Noch ist das Loch nicht gestopft, für das Jahr 2018 geht man von einem Minus von rund 8,9 Millionen Euro aus. Ein Strukturkonzept sieht Gegenmaßnahen vor: Die Standorte sollen zunächst erhalten bleiben, die medizinischen Leistungen werden verteilt. Illertissen entwickelt sich zu einem Stützpunkt für Altersmedizin: Geriatrische Rehabilitation, Schmerztherapie und Innere Medizin sind Bausteine dazu. Engelhard spricht von einer konservativen Ausrichtung, ab Herbst dieses Jahres soll an der Illertalklinik nicht mehr operiert werden. Die sogenannten schneidenden Abteilungen würden in Richtung Weißenhorn wandern, so Engelhard.

Weit in die Ferne gerückt ist die Erfüllung des Wunsches nach der Wiedereröffnung der Babystation in Illertissen: „In der momentanen Konstellation ist das einfach nicht umsetzbar“, sagt Stiftungsdirektor Engelhard und bezieht sich auf das Ergebnis eines Bürgerentscheids für eine Rückkehr. In der neuen Tagesklinik sieht stellvertretender Landrat Roland Bürzle nach dem „Tiefschlag“ durch Defizit und Diskussionen eine Stärkung für den Standort Illertissen. Die Verunsicherung bei den Mitarbeitern sei groß gewesen. Nun stehe zwar fest, dass es weitergeht. Ein „weiter so“ werde es jedoch nicht geben, bekräftigt Bürzle. Und betont, dass in einigen Jahren die Zusammenführung der Klinikstandorte Illertissen und Weißenhorn vorgesehen sei.

Gegen schwere Schmerzen anzugehen – das hält Mediziner Hege-Scheuing für unumgänglich. Ansonsten könne das auf die Seele schlagen: „Nach einigen Monaten machen Schmerzen etwas mit der Psyche.“ In Illertissen sollen sich die Patienten aneignen, ihr Leben mit ihren medizinischen Probleme zu meistern. „So etwas wie eine Käseglocke wollen wir nicht über sie stülpen“, sagt Hege-Scheuing. Am Ende der von der Krankenkasse bezahlten Therapie müssen die Teilnehmer das Gelernte umsetzen.

Vor dieser Herausforderung steht nun auch Hans Steiner. Wehmütig sehe er dem Ende der Behandlung entgegen. Aber auch zuversichtlich: „Ich fühle mich gut vorbereitet.“ Die Übungen mit den Therapeuten hätten geholfen, sagt Steiner. Aber auch die Gespräche mit Leidensgenossen. Der Ulmer will mit ihnen in Kontakt bleiben, er hat viele Adressen gesammelt. Ihm habe die Therapie einen Neuanfang ermöglicht, sagt Steiner. Auch wenn er wisse, dass das Brennen wohl nie mehr ganz verschwindet. »Kommentar

Sieht aus wie eine fröhliche Gymnastikrunde – doch der schein trügt: Diese Patienten leiden dauerhaft an schweren Schmerzen. Deshalb absolvieren sie eine Therapie an der neuen Tagesklinik in Illertissen. Fotos: Alexander Kaya

Bewegung ist wichtig – auch wenn es weh tut.

Schmerzexperte Gerhard Hege-Scheuing hat die Abteilung aufgebaut.

An der Illertalklinik werden medizinische Angebote gebündelt.

zurück

Unterstützen Sie uns!

Investieren Sie in die Freiheit — mit Ihrer Spende für die FDP Neu-Ulm.

Neben der Stimme am Wahltag und der Mitgliedschaft ist die Spende die dritte wesentliche Säule für die Unterstützung einer Partei durch die Bürger.

Spenden sind ein wichtiger und sehr persönlicher Beitrag des einzelnen Bürgers für die Politik seiner Wahl und Ausdruck persönlicher Willensbekundung. 

mehr zum Thema Spenden

Datenschutzeinstellungen

Diese Webseite nutzt Cookies und tauscht Daten mit Partnern aus. Mit der weiteren Nutzung wird dazu eine Einwilligung erteilt. Weitere Informationen und Anpassen der Einstellungen jederzeit unter Datenschutz.