Windenergie im Landkreis

08. Oktober 2018

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Für sie gilt: volle Windkraft voraus
Energie In einem Waldstück zwischen Filzingen, Illereichen und Osterberg könnten sich in Zukunft sechs riesige Räder drehen – zumindest, wenn es nach der Meinung zweier Unternehmen geht. Denn die sehen darin viele Vorteile

Von Felicitas Macketanz

Altenstadt/Babenhausen Es ist eine Idee, die seit Monaten in den Orten Osterberg, Kellmünz und Altenstadt für Diskussionen sorgt – und die Bevölkerung teils sogar spaltet: Im Wald zwischen Filzingen, Illereichen und Osterberg könnten in Zukunft sechs über 200 Meter hohe Windkraftanlagen stehen – und für weit mehr als 3000 Haushalte Strom erzeugen. Dieser Vorschlag kam bereits vor einigen Jahren auf den Tisch, das genannte Gebiet gilt, wie berichtet, laut Regionalplan Donau-Iller als Vorranggebiet für Windenergie. Getan hat sich seitdem trotzdem so gut wie nichts. Das könnte sich allerdings ändern – ginge es nach den Unternehmen Vensol Neue Energien aus Babenhausen und Schweizer Honold Energiesysteme aus Bopfingen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklären die Geschäftsführer Jürgen Ganz und Sebastian Ganser (Vensol), der Chef von Schweizer Honold Energiesysteme, Georg Honold sowie Volker Fiedler vonseiten der bayerischen Staatsforsten, warum die Windkraft ihrer Meinung nach zu wenig Beachtung findet.

Was hat es mit dem Klimaschutzkonzept in der Region auf sich?

Im Landkreis Neu-Ulm gibt es seit 2012 ein Klimaschutzkonzept. Ziel ist unter anderem, mehr erneuerbare Energiequellen zu nutzen und somit die CO 2-Emissionen einzusparen. Damals wurde auch festgelegt, 25 neue Windkraftanlagen im Kreis aufstellen zu lassen. De facto gibt’s bislang nur eine bei Seligweiler, bemängelt Jürgen Ganz, dessen Firma bei dem geplanten Vorhaben bei Altenstadt die Planung und Finanzierung übernehmen will. Schweizer Honold Energiesysteme würde sich um den technischen und kaufmännischen Part kümmern. „Der Landkreis Neu-Ulm will Vorbildregion in Sachen Klimaschutz werden. Da ist aber noch ganz viel Luft nach oben“, sagt Ganz. „Wir würden gerne mit dem Windpark einen Beitrag dazu leisten, um das Klimaschutzkonzept umsetzen zu können und vermehrt auf erneuerbare Energiequellen zu setzen.“ Der Bevölkerung müsse endlich bewusst werden, dass es den Klimawandel gebe und sich überlegen, woher der Strom kommen soll, sagt sein Kollege Sebastian Ganser und fügt hinzu: „Kohleabbau hat beispielsweise viel mehr Nachteile als die Windenergie.“ Man müsse das Thema global betrachten. Und auch Georg Honold erkennt in der Region einen Nachholbedarf in Sachen Windkraft. Denn laut Honold kann ein Windrad bis zu zehn Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen – das entspricht 3000 Haushalten pro Windrad. „Umgerechnet auf Altenstadt wären das bei sechs vorgesehenen Anlagen 60 Millionen Kilowattstunden Strom. Das sind unvorstellbare Zahlen, was Windräder leisten können“, sagt der Honold-Geschäftsführer. Die Netzanbindung in dem geplanten Gebiet sei zudem hervorragend: Das Umspannwerk im Kellmünzer Gewerbegebiet sei lediglich 1500 Meter von den Anlagen entfernt.

Was behindert die Entwicklung der Windkraft im Landkreis?

In Bayern sei es generell nicht einfach, Windräder errichten zu lassen, so Vensol-Chef Ganz. Der Haken sei die im Jahr 2015 eingeführte 10-H-Regel. Ganz: „Diese besagt, dass der Abstand zwischen Windpark und Wohnbebauung zehnmal so groß sein muss, wie das Windrad hoch ist. Das heißt, bei 200 Meter hohen Windrädern wären das schon zwei Kilometer.“ Für den Unternehmer viel zu große Abstandsflächen, die zwischen Häusern und Rädern liegen müssten, gerade im dicht besiedelten Landkreis Neu-Ulm. Diese Regelung zu erfüllen sei fast nicht möglich. Sebastian Ganser pflichtet ihm bei: „Das bedeutet das Aus für die Windkraft. Dieser Abstand wurde willkürlich festgelegt und hat nichts mit Grenzwerten zu tun.“ Ganz verdeutlicht das Problem der Energie-Unternehmen anhand von Zahlen: „2013 gab es 400 Genehmigungen für Windkraftanlagen in Bayern, 2014 waren es 220, 2015 nur noch 36 – und vergangenes Jahr waren es vier Genehmigungen.“

Welche Rolle spielt der Schattenwurf der Anlagen bei den Plänen?

Der Schattenwurf der Rotoren sei weniger das Problem, sind sich die Geschäftsführer einig. Honold erklärt, dass sich durch die richtige Technik viele Probleme – wie etwa der Schattenwurf – lösen ließen. „Schatten kann schon lästig sein, aber heute kann man die Windräder so einstellen, dass sie abschalten, wenn sie einen Schatten werfen.“ Es gebe sogar eine Regelung, die ein Abschalten der Anlagen erforderlich macht, wenn diese mehr als acht Stunden im Jahr Schatten werfen. Bei dem geplanten Gebiet nahe Altenstadt, so Vensol-Chef Ganz, stelle der Schattenwurf aber keine Belastung dar, da die Windenergieanlagen sehr weit von den Häusern aufgestellt würden – das sei bereits untersucht worden.

Wie bedeutend ist der Naturschutz für die Unternehmen?

Ein Aspekt, der bei nahezu jeder Diskussion um Windenergie aufgegriffen wird, ist neben dem Schattenwurf durch die Räder der Umwelt- und Tierschutz. Vensol-Geschäftsführer Ganz: „Uns geht es darum, den Artenschutz und die Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen. Der Artenschutz steht über allem, wir wollen aber natürlich trotzdem unsere wirtschaftlichen Ziele erreichen.“ Die Windkraftanlagen widersprechen deshalb nicht dem Naturschutzgedanken, so Ganz. Im Gegenteil: Es gebe beispielsweise ein System, bei dem das Windrad reagieren könne, sobald sich ein Vogel nähert. „Die Technologie geht immer weiter, die Reaktionszeit von den Windrädern ist sehr kurz – nur wenige Sekunden, dann stehen die Rotoren“, erklärt der Fachmann. Den Begriff „Vogelschredder“ weisen die Unternehmer entschieden zurück. Sebastian Ganser macht klar: „Das Wort wird von den Windkraft-Gegnern und den Medien gerne benutzt, aber es stimmt einfach nicht.“ Die Population des Rotmilans habe beispielsweise laut Ganz in Sachsen-Anhalt zugenommen – trotz bestehender Windkraftanlagen. „Wir wollen ganz klar kein Vogelschredder sein. Ich mache diesen Job jetzt seit 2001 und in 17 Jahren habe ich noch keinen Tod eines Greifvogels wegen eines Windrads verzeichnet. Und wir haben 50 Anlagen im gesamten Bundesgebiet“, betont er. Unternehmer Honold zufolge jage der Rotmilan gar nicht im Waldgebiet.

Wie viel Waldfläche müsste für die Anlagen weichen?

Neben den Firmen und Gemeinden sitzt bei diesem Vorhaben auch der Waldbesitzer, in diesem Fall die bayerischen Staatsforsten, mit im Boot. Laut Forstbetriebsleiter Volker Fiedler, der vonseiten der Staatsforsten für die Fläche bei Filzingen mitverantwortlich ist, wäre der Waldverlust aber sehr gering: Das ausgewiesene Areal beträgt laut Regionalplan 250 Hektar, der Waldverlust für die Anlagen liege bei nur rund einem Hektar. Somit stünden nach Aussage von Fiedler ein Hektar einem gesamten Forstgebiet von 1500 Hektar gegenüber. „Es wird geschimpft, dass der Holzabschlag zu groß sei. Zum Vergleich: Ein Hektar sind etwa 300 bis 400 Festmeter Holz im Schnitt, der reguläre Hiebsatz liegt aber bei 22 000 Festmetern jährlich“, erklärt der Mitarbeiter der bayerischen Staatsforsten. „Wenn einmalig 400 Festmeter geschlagen werden, ist das verschwindend gering. Außerdem kann man um die Anlagen beispielsweise Blühflächen für Bienen anlegen.“ Fiedler zufolge ließen sich Rehwild und Schwarzwild kaum von solchen mehr als 200 Meter hohen Anlagen beeindrucken – das zeige die Erfahrung aus Gebieten mit bestehenden Windkraftanlagen. Die Mitarbeiter der Staatsforsten hätten zudem den Auftrag, die Nutzung regenerativer Energien im Staatswald zu fördern.

Landkreis will zur Vorbildregion werden

Sebastian Ganser, Jürgen Ganz, Volker Fiedler und Georg Honold (von links) haben mit unserer Redaktion über erneuerbare Energien, Naturschutz und das Vorhaben bei Altenstadt gesprochen. Foto: Alexander Kaya

Den „Vogelschredder“ gibt es nicht

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