Zeit und Entwicklung... das Tempo nimmt zu!

30. Dezember 2017

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Wirtschaft

„Das Tempo nimmt zu“

Vorhersage Zukunftsforscher Lars Thomsen sagt mehr Veränderungen für 2018 voraus. Die künstliche Intelligenz wird wichtiger.

Von Thomas Veitinger


Seher warfen früher Würfel oder lasen in Eingeweiden – zumindest wenn man Comics glaubt. Heute vertrauen Zukunftsforscher wie Lars Thomsen auf Analysen, Prognosen und Methodik, wenn sie einen Ausblick wagen.


Sehen Sie Trends voraus oder markieren Sie bestehende?


Lars Thomsen: Voraussehen ist schwierig. Wir folgen vor allem technischen Entwicklungen, welche kurz vor einem Durchbruch stehen. So genannte Tipping Points, die im Laufe der Geschichte immer wieder kamen und dann die Welt verändert haben wie Buchdruck, Dampfmaschine oder das Internet.


Der Chef des E-Auto-Herstellers Elon Musk hat gesagt: Wenn Trends erst einmal offensichtlich sind, bist du zu spät dran.


Man muss die Dynamik einer Entwicklung verstehen. Autonome Fahrzeuge entwickeln sich derzeit mit einer sehr hohen Geschwindigkeit. Zwar sagen viele der Skeptiker heute: selbstfahrende Autos funktionieren nicht richtig. Das heißt aber nicht, dass sie in den kommenden zehn Jahren nicht funktionieren werden.


Ist Musk ein Scharlatan, Visionär oder beides?


Wenn man in 50 Jahren zurückblicken wird, wird Elon Musk als einer der größten Innovatoren unserer Zeit gelten. Elektromobilität wäre ohne seine Produkte nicht so in die Gänge gekommen. Er hat daneben ein Zahlungssystem für das Internet erfunden. Er besitzt eine Raketenfirma, die wiederverwertbare Raketen baut. Er revolutioniert daneben gerade den Tunnelbau. Er hat im Bereich Energiespeicher Maßstäbe gesetzt. Es ist einfach zu sagen, er würde spinnen, aber all das hat tatsächlich einen erheblichen Zukunftswert.


Sie haben einmal über sich gesagt, Sie streicheln Ihre eigenen Autos. Ist da ein Diesel dabei?


Nein, nicht mehr.


Laut EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska ist der Diesel eine Technik der Vergangenheit.


Absolut. Es wäre völlig naiv zu glauben, dass der Diesel in 30 Jahren noch eine dominante Rolle in der Antriebswelt spielen würde. Jede Technologie hat ihre Zeit. Die Welt wird elektrisch, das ist vollkommen klar. Es wäre völlig naiv zu glauben, dass der Diesel in 30 Jahren noch eine Rolle spielt.


Ist es nicht ein Widerspruch, dass wir Deutschen innovativ sind, aber gerne an Bewährtem festhalten?


Es hat damit zu tun, dass eine Industrie, die derzeit wunderbar funktioniert und Milliarden verdient, kein großes Interesse besitzt, sich davon zu früh zu trennen. Aber jeder große Innovationssprung erfordert kreative Zerstörung, wie uns der Ökonom Joseph Schumpeter bereits vor rund 100 Jahren beigebracht hat. Elektroantriebe haben eine viel höhere Energieeffizienz und können mit regenerativen Quellen betrieben werden. Die Batterietechnik wird von Monat zu Monat besser und billiger. Das Dilemma ist: Deutschland hat mit seiner Autoindustrie die Welt der Mobilität in den letzten 100 Jahren nachhaltig verändert. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass Autos in der heutigen Form auch in 100 Jahren dazu taugen, die Weltmarktführerschaft behalten.


Was ist nötig, Quoten für E-Autos, Verbot von Verbrennungsmotoren ab einem bestimmten Jahr?


Nein, eine Innovation setzt sich immer nur dann durch, wenn die Technologie besser, angenehmer und komfortabler ist, als das Alte und dabei noch mehr Spaß macht. Genau das ist das Versprechen des Elektroantriebs: Ein höheres Drehmoment beim Anfahren, eigene Tankstelle in der Garage, endlich Ruhe im Auto. Bereits heute ist der Punkt erreicht, an dem bestimmte Elektrofahrzeuge günstiger zu produzieren und zu betreiben sind dabei bei Reichweite, Leistung und Komfort mit dem dem enstprechenden Verbrenner-Modell überlegen sind.


Aber wann ist es soweit?


In China werden schon wesentlich mehr Busse mit Elektro- als mit Verbrennungsmotor zugelassen. Da ist es schon gekippt. Es gründen sich monatlich neue Autohersteller, aber kein einziger von denen setzt weiterhin auf den Verbrennungsmotor. Schon jetzt sind elektrische Varianten bei kommunalen Fahrzeugen wie Müllwagen und Bussen in Städten in einer Gesamtkostenbetrachtung preislich besser als entsprechende Fahrzeuge mit Diesel antrieb – nur gibt es derzeit viel zu wenig Angebote und Modelle aus Deutscher Produktion


Liegen wir bei der Mobilität hinten?


Man merkt es doch jeden Tag: Wir haben es mittlerweile akzeptiert, jeden Tag im Stau zu stehen – aber das ist doch nicht die Lösung für die Zukunft. Es raubt uns Lebensqualität, ist ökologischer und volkswirtschaftlicher Wahnsinn. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, der Verkehr wird dichter. Wir brauchen ganz neue Konzepte. Sowohl für die Mobilität von Menschen als auch für eine effizientere Form der Logistik.


Dann haben wir unsere führende Rollle abgegeben? Das klingt nicht sehr optimistisch.


Thomsen: Doch! Man sieht bereits den Aufbruch: Daimler etwa hat sich in den vergangenen zwei Jahren enorm verändert: In der Kultur, im Denken, in der Organisation und der Innovation. Das Management forciert einen Kulturwandel, der auf die Mobilität der Zukunft zielt. Dieser frische Wind ist ansteckend und gut.


Die Zustellung von Milliarden Paketen jedes Jahr überfordert Deutschlands Innenstädte.


Wenn ich durch die Straßen fahre und sehe, wie ein Paketauslieferer in der zweiten Reihe parkt, Busse nicht vorbei kommen, hupen und er in seinem Chaos ein Paket sucht, damit zu einem Haus läuft, klingelt, 30 Sekunden wartet, mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit niemanden antrifft, einen Zettel schreibt, sein Paket wieder einlädt und 70 Meter weiter das gleiche nochmals macht, denke ich: Das ist Logistik nicht wie aus dem letzten Jahrhundert sondern wie vor 200 Jahren. Wir brauchen neue Technologien und Konzepte: Von intelligenten Zustellungsdrohnen bis hin zu autonomen Liefer-Robotern.


Sie fordern Leitplanken bei künstlicher Intelligenz.


Künstliche Intelligenz gibt es schon heute. Eine Suchanfrage bei Google wäre bei hunderten Millionen Websiten ohne selbstlernende Systeme nicht so effizient. Künstliche Intelligenz kommt jetzt aber an einen Punkt, an dem wir nicht mehr verstehen, wie Programmierung funktioniert. Die Geräte fangen dagegen an, uns zu verstehen.


Das ist doch nicht schlecht und genau das, was wir wollen.


Es gibt aber auch Einsatzfelder von künstlicher Intelligenz, die Angst machen: Roboter können zukünftig Menschen helfen, aber Kampfroboter werden bald um ein vielfaches effizienter als menschliche Soldaten sein. Und hier reden wir nicht von Jahrzehnten, sondern wenigen Jahren. Es ist sehr dringlich, dass wir international Leitplanken festlegen, was diese Technologie künftig darf und wie wir sie einsetzen. Auch der Staat steht vor großen Entscheidungen: Werden wir zukünftig Maschinenarbeit ähnlich besteuern müssen, wie wir es derzeit mit menschlicher Arbeit machen?


Was erwartet uns 2018?


Eine Prognose auf ein einziges Jahr bezogen ist nicht einfach. Aber 2018 wird das Jahr des Umbruchs in Richtung Elektromobilität weltweit werden. Ebenfalls wird das Thema „Maschinensteuer“ im Zusammenhang mit Robotik und Künstlicher Intelligenz auf die politische Agenda rücken. Das Tempo der Veränderung für die Gesellschaft und jeden Einzelnen wird weiter zunehmen.


Welche Themen beschäftigen uns im kommenden Jahr noch?


Wir sehen gerade, dass im Bereich der Medizin ganz neue Formen der Heilung und Therapie von Krankheiten entstehen. Stammzellentechnologie, 3D-Druck von Organen, Knochen oder Gelenken ist in greifbarer Nähe und zunehmend werden wir „Software-Fehler“ in der DNA umprogrammieren können. Beschädigte Organe könnten dadurch zum Beispiel dazu gebracht werden, sich zu regenerieren. Die Innovation wird stark von Künstlicher Intelligenz unterstützt – ein weiteres Indiz dafür, dass wir uns im kommenden Jahr noch viel mehr mit den Potenzialen und Grenzen dieser Technologie auseinandersetzen sollten.

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