Ulmer Kinder mit Sprachdefiziten... aber sicher nicht nur Ulmer..!

04. Januar 2018

das heisst.. BILDUNG BILDUNG BILDUNG!! Kein Kind darf verloren gehen!
Lesen SIE bitte die NUZ und die SWP

Ulmer Kinder haben Sprachprobleme
Bildung Ein Report der Industrie- und Handelskammer zeigt: Mehr als ein Drittel benötigt intensive Förderung. Woran das liegt und warum sich die Wirtschaftsvertreter mit diesem Thema beschäftigen

Von Sebastian Mayr

Ulm Mehr als ein Drittel der Kinder in Ulm benötigt eine intensive Sprachförderung. Diese Zahl geht aus dem Bildungsreport hervor, den die Industrie- und Handelskammer Ulm am Mittwoch veröffentlicht hat. Die Wirtschaftsvertreter sehen eine gefährliche Entwicklung. „Entweder investieren sie jetzt in die frühkindliche Bildung oder später in den sozialen Reparaturbetrieb“, sagt Otto Sälzle, Hauptgeschäftsführer der Kammer, über Politiker, die Entscheidungen treffen müssen.

Sälzle gibt offen zu, dass die besondere Kompetenz der IHK nicht unbedingt in der Erziehung in Grundschulen und Kindergärten liegt. Doch er befürchtet, dass sich manche Defizite nicht aufholen lassen. Probleme in der Bildung könnten den Fachkräftemangel weiter verstärken. Die IHK rechnet damit, dass zwischen 2020 und 2030 in Ulm, im Alb-Donau-Kreis und im Landkreis Biberach jährlich 14 500 Fachkräfte fehlen. „Wir glauben, der Schlüssel für das Thema liegt in der frühkindlichen Bildung“, sagt Sälzle. Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Fähigkeiten in den ersten sechs Lebensjahren entscheidend geprägt werden. „Wenn ein Kind schon in der Grundschule Probleme mit Lesen und Rechnen hat, dann ist die Bildungskarriere mit Handicaps versehen“, so der Hauptgeschäftsführer der Kammer.

Thomas Frank leitet die Abteilung Ausbildung der IHK und hat den Bildungsreport federführend erstellt. Er sagt: „Die Grundschulen schaffen es nicht mehr, alle mitzunehmen.“ Vielen Abc-Schützen fehlten entscheidende Grundlagen, die sich in den vier Jahren Grundschule nicht mehr aufholen ließen. Das zeige die Zahl der Kinder, die Sprachförderung brauchen. Die Gesundheitsämter haben die Werte erhoben. Sie stammen aus den Einschulungsuntersuchungen, die in Baden-Württemberg verpflichtend sind: Kindergartenkinder werden getestet, ob sie gesundheitliche Probleme haben oder besondere Unterstützung benötigen.

In Ulm brauchen 38 Prozent der Kinder eine intensive Sprachförderung, im Alb-Donau-Kreis sind es 33 Prozent und im Landkreis Biberach 25 Prozent. Ein großer Teil dieser Kinder stammt aus Migrantenfamilien. Das lässt sich aus einer Aufstellung des Kreisgesundheitsamts Biberach ablesen. Im Jahr 2014 hatten 56 Prozent der Kinder, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird, Sprachförderbedarf. Doch die Probleme liegen nicht nur dort. Bei Kindern aus Familien, in denen Deutsch gesprochen wird, waren es immerhin 17,5 Prozent. Für Ulm und den Alb-Donau-Kreis liegen der IHK keine entsprechenden Zahlen vor. Hauptgeschäftsführer Sälzle glaubt: „Die Grundaussage dürfte die gleiche sein.“

Ein zusätzliches Problem bildet die Migrantenquote in einigen Stadtteilen. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sinkt die Qualität der Sprache in einer Gruppe, wenn mehr als 40 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben. In einigen Vierteln ist der Anteil deutlich höher. Den Nachwuchs wegen dieser Quote durch die ganze Stadt zu fahren, ist auch aus Sicht der IHK keine Lösung.

Sälzle und Frank setzen auf zusätzliche Sprachförderung in den Kindergärten. Also mehr Personal und eine Erzieher-Ausbildung, die stärker auf die Förderung zugeschnitten ist? Klare Forderungen wollen die Wirtschaftsvertreter nicht erheben. „Wir sind keine Pädagogen und wir sind keine Kommunalpolitiker“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Kammer. Man wolle lediglich auf den Missstand hinweisen.

Eine Erzieherin in einer Kindertagesstätte liest zwei Mädchen aus einem Buch vor. Symbolfoto: Julian Stratenschulte, dpa

Kammer mahnt bessere

frühkindliche Bildung an

Berufswelt Vielen Kindern mangelt es an Sprachkompetenz, sagt die IHK. Das hat ob des künftigen Fachkräftemangels negative Folgen für die Wirtschaft. Von Christoph Mayer


Sprachförderung für Dreikäsehochs gehört gehört nicht zur Kernkompetenz der Indu strie- und Handelskammer Ulm (IHK), da hat Otto Sälzle recht. Was also steckt dahinter, wenn der IHK-Hauptgeschäftsführer in den ruhigen Tagen zwischen den Jahren zum Pressegespräch mit eben diesem Schwerpunkt einlädt? Es ist die Sorge um die Entwicklung des regionalen Ausbildungs- und Arbeitskräftemarktes, wie Sälzle bei der Vorstellung des „IHK-Bildungsreports 2018“ konstatierte. „Unsere Region braucht gut ausgebildete Fachkräfte. Darauf kommt es am Ende des Tages an.“


14 000 fehlen


Infolge der landauf landab prognostizierten demographischen Entwicklung – deutlich mehr Menschen gehen in Rente als Berufsanfänger nachrücken – wird der IHK-Region Ulm bis zum Jahr 2030 ein Fachkräftemangel von jährlich mehr als 14 000 Menschen vorhergesagt. Schon von 2020 an, also in zwei Jahren, werde diese Schwelle erreicht sein, sagt Sälzle. Wenn aber das Arbeitskräftepotenzial generell schwinde, gelte umso stärker, „dass die jungen Menschen, die wir noch haben, bestmöglich ausgebildet sein müssen“.


Da jedoch sieht die IHK deutliche Defizite, wie IHK-Ausbildungsexperte Dr. Thomas Frank unter Zuhilfenahme statistischer Daten des Landes erläuterte. Bei Grundschülern stagniere die Leseleistung, Baden-Württemberg habe seinen einstigen Spitzenplatz eingebüßt. Schlimmer: „Jeder fünfte Viertklässler im Land erreicht nicht mal mehr den Mindeststandard im Lesen“ (siehe Infokasten). Trotz vieler an sich löblicher Initiativen in den vergangenen zehn Jahren verharrten die Sprachauffälligkeiten auch in Ulm unverändert „auf sehr hohem Niveau“.


Schon beim Eintritt in die Grundschule seien die Differenzen zwischen sprachlich stärkeren und schwachen Schülern derart ausgeprägt, „dass Lehrer diese Unterschiede nicht mehr ausgleichen können“. Die zunehmende Zahl der „Risikokinder“ (Frank) stamme beileibe nicht nur, aber eben überwiegend aus Familien mit Migrationshintergrund – speziell aus Familien, in denen Zuhause kein Deutsch gesprochen werde. Hinzu komme, dass solche Kinder überwiegend in Einrichtungen (Kindergärten und Grundschulen) mit wiederum hohem Migrantenanteil untergebracht seien. Was die Tendenz zum Nicht-richtig-Deutsch-lernen zementiere.


Für die IHK resultiert daraus folgende zentrale Forderung: „Die frühkindliche Bildung im Kindergarten muss qualitativ verstärkt werden“, wie Sälzle sagt. Wie dies konkret vonstatten gehen soll? Da bleibt er eine Antwort schuldig. „Wir sind weder Pädagogen noch Kommunalpolitiker noch Kindergartenträger.“ Der IHK gehe es vielmehr um eine Schärfung des Bewusstseins und um das Anstoßen einer öffentlichen Debatte. Aber: Ohne Investitionen, sprich, mehr und besser ausgebildete Erzieherinnen, werde es nicht gehen. „Die kommunale Ebene hat nur eine Möglichkeit: entweder jetzt in die frühkindliche Bildung zu investieren oder später in die soziale Reparaturarbeit.“


Die IHK leiste freilich auch selbst einen Beitrag zur frühkindlichen Bildung, betonten Frank und Sälzle. So habe man mit der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ bereits 88 Prozent aller Kindertagesstätten in der IHK-Region erreicht. Insgesamt seien mehr als 4000 Erzieherinnen in 370 eintägigen Workshops in der spielerischen Vermittlung von naturwissenschaftlichen und technischen Kompetenzen geschult worden.


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