Überregional: das neue Polizeiaufgabengesetz..

09. Mai 2018

Lesen SIE dazu bitte die NUZ..

Dürfen Polizisten bald alles?
Protest Zehntausende Menschen demonstrieren gegen das neue Polizeigesetz. Sie fürchten Einschränkungen der Freiheit. Befürworter sehen dagegen viele unbegründete Ängste

Von Henry Stern

München Der Streit um das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die CSU-Mehrheit bereits kommende Woche im Landtag verabschieden will, bleibt hitzig: An diesem Donnerstag wollen Gegner auf einer Großdemonstration in München gegen die geplante Neuregelung protestieren. Rund 12 000 Teilnehmer werden erwartet. Bei Kundgebungen in Augsburg, Nürnberg und Würzburg hatten in den vergangenen Wochen mehrere tausend Menschen gegen das geplante PAG demonstriert. Für kommenden Montag ist eine weitere Demo in Regensburg geplant.

Getragen wird dieser Protest von einem unter dem Namen „#noPAG“ zusammengeschlossenen Bündnis verschiedener Parteien, Verbände und Organisationen, zu dem unter anderem SPD, Grüne, FDP, die Gewerkschaft Verdi oder der bayerische Journalisten-Verband BJV gehören. Mitglied des Bündnisses sind allerdings auch mehrere vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingeordnete Organisationen wie die Rote Hilfe e.V., die Antikapitalistische Linke oder die MLPD. Demokratische Parteien, die mit Verfassungsfeinden gemeinsame Sache machten, diskreditieren sich selbst, kritisiert deshalb CSU-Generalsekretär Markus Blume: „Bei der Demo sind linke Chaoten dabei, die mit Staat und Polizei schon immer auf Kriegsfuß stehen.“

Kritik, die man in dem Bündnis nicht nachvollziehen kann: Sie sei sehr froh, dass der Protest auf einer breiten gesellschaftlichen Basis stehe, sagt etwa die Grünen-Politikerin Ulrike Gote. Die CSU sollte sich zudem lieber mit den Argumenten der PAG-Gegner auseinandersetzen, „als sich darüber zu beschweren, wer da protestiert“, schimpft Gote. Allerdings räumen Mitglieder des Bündnisses hinter vorgehaltener Hand ein, dass nicht alle Unterstützer immer korrekt argumentieren.

So heißt es etwa auf einem überall in München an Laternen oder Briefkästen angebrachten leuchtend roten Aufkleber unter der Überschrift „Wir sind alle verdächtig! #noPAG“, nach dem neuen Gesetz dürften „PolizistInnen u. a. Explosionsmittel mit sich tragen“. Tatsächlich bleibt der Besitz etwa von Handgranaten wie bislang auf die beiden SEK-Einheiten in München und Nürnberg beschränkt. Ein Einsatz ist zudem nur auf ausdrückliche Freigabe der Polizeiführung im Einzelfall möglich.

Auch die pauschale Behauptung auf den Aufklebern, die Polizei dürfe künftig private Briefe oder E-Mails „lesen, kopieren, löschen, verändern“ sei nicht korrekt, beteuert Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Richtig sei, dass im Zuge einer Online-Durchsuchung auf richterliche Anordnung etwa eine digitale Anleitung zum Bombenbau manipuliert werden könnte. Persönliches sei dagegen durch das neue Gesetz sogar besser geschützt als bislang – weil etwa die Ergebnisse einer Telefonüberwachung künftig zuerst von einer unabhängigen Stelle gefiltert werden müssten.

Es würden viele unbegründete Ängste gegen das Gesetz geschürt, kritisiert Schmidbauer: So beschränke sich etwa die geplante DNA-Analyse „auf äußere körperliche Merkmale, die man für eine Fahndung braucht“. Auch die neuen Möglichkeiten der Videoüberwachung seien weit von „Big Brother“ entfernt: Nach einem Gesicht könne die Polizei auch künftig nur gezielt und bei einer konkreten Gefahr fahnden. Ohne konkrete Gefahr soll die Polizei mit Videohilfe etwa bei Großveranstaltungen nur nach unbeaufsichtigten Koffern oder Rucksäcken suchen dürfen. Mit 49 eigenen Videokameras sei man allerdings auch hier weit weg von einer Totalüberwachung, argumentiert der Polizeichef.

Viele der laut Landtags-SPD 35 neuen Polizeibefugnisse fußten allerdings auf dem rechtlich unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“ und seien auch inhaltlich nicht ausreichend begründet, kritisierte dagegen der Münchner Richter und PAG-Experte Markus Löffelmann bei einer Podiumsdiskussion in München: „Der Bürger weiß oft nicht, wann genau die Polizei eingreifen darf.“ Dies sei auch aus juristischer Sicht „hochproblematisch“. Zudem lege das bayerische Gesetz die auf die Terrorismusbekämpfung bezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz „sehr breit für das gesamte Aufgabenspektrum der Polizei“ aus. Dies führe dazu, dass bayerische Polizisten „bei der Gefahrenabwehr künftig mehr Möglichkeiten haben als das BKA bei der Terrorabwehr“. Allein dies sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit fragwürdig.

Die „drohende Gefahr“ liege nun einmal „im Bereich der Prognose“, kritisiert auch der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler: „Und Prognosen können auch falsch sein.“ Die „Vorverlagerung der Eingriffsschwelle“ auf die reine Möglichkeit einer Straftat durch das neue Polizeigesetz hält Schindler grundsätzlich für den falschen Weg: „Man sollte nicht den Eindruck erwecken, man könnte alle Straftaten verhindern, wenn die Polizei nur die geeigneten Befugnisse dazu hätte“, mahnt er: „Denn dies wäre dann kein freiheitlicher Rechtsstaat mehr.“

Auch linksextremistische Gruppen protestieren mit

Ist die persönliche Freiheit durch das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz in Gefahr? Die Gegner sehen das so und haben einen breiten Protest organisiert. Foto: Daniel Karmann, dpa

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