Progromnacht in Ulm.. vor 80 Jahren...

06. November 2018

Nie vergessen.. damit so etwas nie wieder passiert!!!!
Lesen SIE bitte die SWP..

Ein widerwärtiges Kapitel

Publikation Der Historiker Ingo Bergmann hat die bekannte Faktenlage zum Novemberpogrom vor 80 Jahren auf dem Ulmer Weinhof mit neuen Quellen, Zeitzeugenberichten und Fotos angereichert. Von Rudi Kübler


„Ich wurde zwischen 4 und


5 Uhr durch die SA-Leute aus


dem Bett geholt. Wir wurden


zum Weinhof gepackt, wo ich


mit all den vielen Glaubens-


genossen so geschlagen wurde,


dass mein neues Gebiss in


Stücke ging. Mein junger Sohn,


der jetzige Professor Hirsch,


wollte wissen, was mit mir


geschieht. Als er auf den


Weinhof kam, wurden gerade


Dr. Cohn und der Rechts-


anwalt Mann misshandelt, und


es war für ihn so ein entsetz-


licher Eindruck, den er, wie er


mir jüngst sagte, nie vergessen


werde.“


Terror, blanken Terror erlebten die in Ulm verbliebenen Juden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Was der Ulmer Kaufmann Sigmund Hirsch beschreibt, ist das dunkelste Kapitel in der Geschichte Ulms. Waren die jüdischen Mitbürger von 1933 an von den Nationalsozialisten diskriminiert und zunehmend wirtschaftlich und gesellschaftlich an den Rand gedrängt worden, bedeutet der 9. November 1938 eine Zäsur. Eine Zäsur hin zur physischen Verfolgung. Hin zum Holocaust, zur industriellen Ermordung in den Konzentrationslagern.


Das widerwärtige Geschehen in dieser Nacht auf dem Ulmer Weinhof ist erfasst, auch die Verschleppung von 56 Ulmer Juden am nächsten Morgen ins KZ nach Dachau. Heinz Keil hatte bereits 1961 im Auftrag der Stadt Ulm eine „Dokumentation über die Verfolgung der jüdischen Bürger“ zwischen 1933 und 1945 erstellt. Doch seit Keils Forschungen sind 56 Jahre ins Land gegangen, neue Quellen, Zeitzeugenberichte, Erinnerungen, Zeitungsartikel und Fotos aus Nachlässen sind aufgetaucht – Zeit also für eine neue Publikation anlässlich des 80. Jahrestags.


Sie ist jetzt erschienen: „1938. Das Novemberprogrom in Ulm – seine Vorgeschichte und Folgen“, heißt der Titel des Buches, herausgegeben vom Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg und dem Stadtarchiv Ulm. Dass Ingo Bergmann als Autor gewonnen werden konnte, ist ein Glücksfall, nicht nur, weil der Historiker profunder Kenner der Stadtgeschichte ist, sondern auch, weil er bereits das Gedenkbuch „Und erinnere dich immer an mich“ für die Ulmer Opfer des Holocaust recherchiert und geschrieben hat. Was sich als unschätzbarer Vorteil für das neue Buch erwies, weil er auf sehr viele und sehr gute Kontakte zu den Nachfahren ehemaliger Ulmer Juden bauen kann.


Dass er all diese Dokumente aufarbeiten und auch veröffentlichen kann, zeigt zweierlei: zum einen, dass das ehrliche Bemühen der Stadt Ulm, sich diesem düsteren Kapitel zu stellen, anerkannt wird. Zum anderen, „dass das Thema bis heute Relevanz hat“, wie Prof. Michael Wettengel, Leiter des Stadtarchivs sagt.


Neues aufzuarbeiten und in die seit Keil bekannte Faktenlage einzuarbeiten, war für Bergmann „eine spannende Herausforderung“. Zentral ist die Nacht auf dem Weinhof, in der SA-Leute den Ulmer Rabbiner Dr. Julius Cohn und seine Glaubensgenossen durch den Brunnen trieben und sie mit Schlägen und Tritten malträtierten und versuchten, die Synagoge in Schutt und Asche zu legen. Bergmann geht auf die neuzeitliche jüdische Gemeinde ein, die eine Gleichstellung anstrebte, sich aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts einem zunehmenden Antisemitismus gegenübersah. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschoben sich die politischen Rahmenbedingungen vollständig.


Diese Entwicklung zeigt der Historiker anschaulich auf, er lässt die Menschen sprechen und reichert die Darstellung mit Dokumenten und Fotos an. Die letzte, am 4. April 1939 gehaltene Predigt Cohns spricht Bände: „Wir sehen die Lücken in unseren Reihen, wir sehen überall die Zeichen des Niedergangs, wir fühlen die Tragik unseres Niedergangs“, sagte der Rabbi, der im März 1940 an seinen in der Pogromnacht erlittenen Verletzungen starb.


Nach der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzte die Massenfllucht ins Ausland ein. Wer konnte, emigrierte. Per Schiff oder Zug. Wer da blieb, sollte in die KZ deportiert werden. Ob früher oder später, das spielte keine Rolle. Der Tod war sicher. 220 jüdische Frauen, Männer und Kinder aus Ulm wurden ermordet.

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