NUXIT.. Kreisfreiheit..
22. Juli 2017
das sagen Stadträte, die damals bei der EINGEMEINDUNG dabei waren...
Lesen SIE bitte die SWP..
und das sagt der Landrat und einige Kreisräte... hier NUZ und SWP
Geschichte wiederholt sich
Zeitzeugen Wie Wolf-Dieter Freyberger, Eugen Weimar und Edi Hartmann die Einkreisung 1972 erlebt haben und was sie zum jetzt geplanten Ausstieg sagen. Von Edwin Ruschitzka
Edi Hartmann (77), Wolf-Dieter Freyberger (77) und Eugen Weimar (83) eint inzwischen mehr, als das noch vor 30 Jahren der Fall war, als sie im Neu-Ulmer Stadtrat saßen. Sie waren einst Protagonisten an vorderster Front, als Neu-Ulm 1972 den Status der kreisfreien Staat verlor und dem Landkreis zugeteilt wurde. Alle drei haben sich längst aus der Kommunalpolitik zurück gezogen, die sie in diesen Tagen dennoch mit großem Interesse verfolgen. Und alle drei haben bei einem Treffen auf Einladung der SÜDWEST PRESSE eine dezidierte Meinung zur angestrebten Kreisfreiheit geäußert, die unterschiedlicher kaum sein kann.
Hartmann war bis zur Eingemeindung 1977 Gemeinderat in Pfuhl, danach bis 2008 Neu-Ulmer Stadtrat, lange Jahre als Fraktionsvorsitzender. Und er saß von 1970 bis 1986 im bayerischen Landtag, hat also die 1972 umgesetzte große Gebietsreform in Bayern von Anfang an begleitet. Und er hat die Sozialdemokratie in Neu-Ulm in dieser Zeit entscheidend mitgeprägt.
Den Ansatz der Staatsregierung, kleine Gemeinden zusammenzufassen, habe er begrüßt, weil diese Kleinstaaterei nicht mehr zeitgemäß gewesen sei. „Aber ich war total dagegen, dass Neu-Ulm in den Landkreis sollte.“ Seine Begründung: „Meine Meinung war, dass Ulm und Neu-Ulm einfach zusammen gehören.“ Die Staatsregierung, so erinnert sich Hartmann, hatte offenbar die Befürchtung, das könnte eines Tages geschehen. „Auch deshalb musste Neu-Ulm in den Landkreis“, ist sich Hartmann sicher. Hintergrund war der Auftrag von Kanzler Willy Brandt an den Staatssekretär Werner Ernst, Vorschläge zur Neugliederung der Länder zu machen. Die Ergebnisse der so genannten Ernst-Kommission wurden Ende der 70er Jahre zu den Akten gelegt.
Neu-Ulm sei in den 70er Jahren an seine Grenzen gestoßen. Es gab aber Raum zur Entwicklung, den die noch eigenständige Gemeinde Pfuhl hatte. Den Platz hätten die Pfuhler aber nie und nimmer freiwillig abgegeben, deshalb sei die Einkreisung diesbezüglich von Vorteil gewesen, sagt Hartmann, der jetzt entschieden für die Kreisfreiheit ist. „Weil der Zusammenschluss von Ulm und Neu-Ulm einfacher wäre.“ Nein, sagt er, das komme sicher nicht in den nächsten acht Tagen oder fünf Jahren. „Aber wer weiß, vielleicht ist es in 20 Jahren möglich.“
Ulm und Neu-Ulm also eine Stadt? „So entschieden wie Herr Hartmann dafür ist, so entschieden bin ich dagegen“, sagt Wolf-Dieter Freyberger, über lange Zeit Hartmanns CSU-Gegenspieler. Mehr Zusammenarbeit zwischen beiden Städten dürfe schon sein, aber bitte keine Fusion. Freyberger, von 1966 bis 2014 fast 50 Jahre im Neu-Ulmer Stadtrat, kann sich erinnern, dass die Einkreisung von oben verordnet worden sei. Die Neigung der Stadt-CSU, dagegen zu protestieren, sei nicht so groß gewesen. „Stimmt“, sagt Hartmann, „auch ihr hattet nichts zu schnabeln“.
Dass Neu-Ulm jetzt wieder kreisfrei werden will, beurteilt Freyberger im Moment skeptisch. „Es geht holterdiepolter, viel zu schnell, das ist nicht richtig.“ Es sei falsch, jetzt einfach einen politischen Willen durchzudrücken, erst müssten die Vor- und Nachteile im Detail aufgezeigt und abgewogen werden. Sollen die Zahlen stimmen, kann sich auch Freyberger mit einer kreisfreien Stadt Neu-Ulm anfreunden.
Eugen Weimar schüttelt dabei aber den Kopf: „Es ist wie in Europa“, sagt er, „die Einheit geht verloren und damit auch die Solidarität in unserer Gesellschaft. Und deshalb bin ich gegen die Kreisfreiheit, weil auch das viel mit Solidarität zu tun hat.“ Die Stadt Neu-Ulm sei doch mit dem Landkreis in den vergangenen Jahren gut gefahren. „Ach was“, fährt Hartmann dazwischen, „wir waren immer der Zahlmeister.“
Aber auch Weimar, Neu-Ulmer Stadtrat von 1961 bis 1963 und von 1977 bis 1996, kann sich eine gemeinsame Stadt Ulm/Neu-Ulm vorstellen. „Das ist eine Frage der Zeit und der Menschen, die dann am Drücker sind.“ Die Politiker, die jetzt maßgeblich im Neu-Ulmer Rathaus am Drücker sind, würden die angestrebte Kreisfreizeit viel zu schnell durchziehen. „Im Schweinsgalopp geht so etwas nicht.“ Aber auch bei der Einkreisung Neu-Ulms hätten Zahlen keine Rolle gespielt. „Es war eine Prestigefrage, mehr nicht.“ Geschichte, so könnte man meinen, wiederholt sich.
Von Ronald Hinzpeter
Landkreis Vielleicht war es ja auch der Sommerhitze geschuldet, dass Landrat Thorsten Freudenberger mehrfach beteuerte, die Diskussion müsse „mit kühlem Kopf“ geführt werden. Immerhin geht es dabei um nicht weniger als das Streben von Neu-Ulm nach Selbstständigkeit. Freudenberger nutzte am Freitag die Kreistagssitzung, um aus seiner Sicht einige Dinge zu den Nuxit-Plänen zu sagen. Dabei blieb er zwar im Ton wie immer verbindlich, doch er sagte auch klar, bei den Verhandlungen werde er klare Kante zeigen und die Interessen des Landkreises vertreten.
Er spielte damit auf Äußerungen von Oberbürgermeister Gerold Noerenberg an, die Stadt werde nach einem Ausstieg Kooperationen mit dem Kreis suchen und möglicherweise auch Zweckverbände gründen. Freudenberger sagte zurückhaltend, darüber könne geredet werden, wo es sinnvoll sei. Bei der Verteilung der Verwaltungsaufgabe könne es allerdings „keine halbe Kreisfreiheit geben“. Zudem wiederholte er noch einmal seine Äußerungen von vergangener Woche, wonach das Landratsamt keinesfalls außerhalb der Kreisgrenzen liegen könne, sich also die Frage stellt, was mit der Kupferburg geschehen soll. Auch der Kreissitz dürfe nicht draußen sein, womit das Rennen unter den vier verbleibenden Städten eröffnet ist. Und den „Namen einer Stadt, die nicht dazu gehören will“, sollte das neue Gebilde ebenfalls nicht tragen.
Er persönlich bedauert, wenn die Neu-Ulmer die Kreisfreiheit anpeilen, denn die 45 gemeinsamen Jahre seit der Gebietsreform seien erfolgreich gewesen, Stadt und Kreis hätten massiv voneinander profitiert: „Alles andere ist falsch und erfunden. Wir haben 45 gute Jahre gehabt“, sagte der Landrat. Bei aller „Aufbruchseuphorie“ dürften die finanziellen Auswirkungen nicht vergessen werden, es drohe die Gefahr, sich massiv zu verrechnen. Er könne als Ausstiegsgrund nicht akzeptieren, wenn die Debatte um die Illertisser Geburtshilfe ins Feld geführt werde. In seinen Augen ist noch vieles ungeklärt: „Ich sehe mehrere hundert Fragen, aber nur Antworten im einstelligen Bereich.“ Freudenberger fürchtet, der Austritt werde zu einem jahrelangen Prozess führen, der die Verwaltungen belastet und auch lähmt.
Auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Franz-Clemens Brechtel erinnerte an die turbulenten Zeiten der Gebietsreform: „Es war ein jahrelanges Drama, bis wieder alles rund lief.“ Er zog die Logik eines Nuxit in Zweifel, denn mittlerweile gehe aus Effektivitätsgründen der Trend zu größeren Einheiten, doch im Raum Neu-Ulm sei es gerade anders herum. Das werde womöglich keinem guttun, wenn etwa das jetzt bestehende gute Schulsystem durch einen Ausstieg gefährdet werde. Sarkastisch merkte er an: „Wenn es das Selbstbewusstsein der Stadt Neu-Ulm erfordert, das Wort ,kreisfrei’ auf dem Ortsschild zu haben, dann ist jede Diskussion überflüssig.“
Jürgen Bischof von den Freien Wählern fürchtet, nach der Trennung könnten statt eines großen Landkreises zwei kleine Einheiten übrig bleiben, „die weniger Gewicht haben und die manches doppelt vorhalten müssen“. Dadurch würden letztlich beide schlechter dastehen. Bischof forderte, vor einer Entscheidung solcher Tragweite müssten die Menschen befragt werden: mit einem Bürgerentscheid in Neu-Ulm und einem im Landkreis. Das wird so nicht funktionieren, erklärte Freudenberger, denn für einen Bürgerentscheid auf Kreisebene fehle die Rechtsgrundlage, „das ist Sache von Neu-Ulm“.
Überraschend findet Helmut Meisel (Grüne), wie schnell das Thema angepackt werde und dann noch vor der Sommerpause entschieden werden solle. Seiner Ansicht nach müsste nun der Landkreis sämtliche Planungen einstellen, die auch Neu-Ulm betreffen, etwa für einen Neubau des Lessing-Gymnasiums. Er stört sich auch an dem Parkhausprojekt, das Neu-Ulm zusammen mit der Kreisspitalstiftung beim Edwin-Scharff-Haus durchziehen wird.
Er meint, wenn der Landrat nach eigener Aussage von den Nuxit-Plänen nicht überrascht gewesen sei, dann hätte er das Vorhaben stoppen müssen. Freudenberger hielt dagegen, dass dieser Bau eine seit Jahren anstehende Notwendigkeit sei. Im Übrigen warne er vor „Trotzreaktionen“.
Als einziger Neu-Ulmer meldete sich SPD-Fraktionschef Ulrich Schäufele zu Wort, der darum bat, Emotionen und die „Schärfe“ aus der Debatte zu nehmen. Es müsse doch auch die starke Entwicklung Neu-Ulms berücksichtigt werden. Durch den Ausbau der Bahnlinie in die baden-württembergische Landeshauptstadt werde Neu-Ulm städtischer und zu einem Vorort von Stuttgart.
Das wiederum veranlasste den FW-Fraktionsvorsitzenden Kurt Baiker zu der Bemerkung: „Wenn Stuttgart schon in Neu-Ulm beginnt, dann fängt das Allgäu an der NU3 an.“ Die führt bekanntlich von Senden nach Beuren. »Diese Woche