Frostige Weihnachten im Vatikan...

23. Dezember 2017

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Frostige Weihnacht im Vatikan
Hintergrund Auch dieses Jahr liest der Papst den Kardinälen die Leviten. Doch die Hoffnung auf durchgreifende Reformen der Kurie scheint Franziskus bereits aufgegeben zu haben

Von Julius Müller-Meiningen

Rom Der Haussegen hängt schief im Vatikan, soviel steht kurz vor Weihnachten fest. Grund ist die neuerliche Gardinenpredigt, die Papst Franziskus den Kardinälen, Bischöfen und Prälaten der römischen Kurie drei Tage vor dem hohen Fest im Apostolischen Palast gehalten hat. Ganz einig sind sich die Betroffenen gleichwohl nicht bei der Interpretation, an wen sich der Papst mit seinem frostigen Vortrag exakt wendete, als er von „Verschwörungen“, „kleinen Zirkeln“, „Ambitionen und Eitelkeiten“ sprach und Teile des Kurienlebens als „Krebsgeschwür“ brandmarkte.

Beobachter stellten fest, dass der anschließende Handschlag des Papstes mit dem im Juli als Präfekt der Glaubenskongregation entlassenen deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller in der prächtigen Sala Clementina besonders unterkühlt ausfiel. Der ehemalige Bischof von Regensburg hatte nach seiner Entfernung aus dem Amt kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um den Regierungsstil von Franziskus zu kritisieren.

Andere hingegen waren sich sicher, Franziskus habe eher auf die Miseren im vatikanischen Finanzsektor angespielt. Dort war im Juni der Rechnungsprüfer Libero Milone, der eine Schlüsselposition bei den Finanzreformen im Vatikan innehatte, unter mysteriösen Umständen aus dem Amt geschieden, es folgten schwere gegenseitige Vorwürfe. Papst Franziskus schaltete sich nun unerwartet deutlich in den vatikanischen Kleinkrieg ein, als er Kollegen anprangerte, die „Vertrauen missbrauchen oder die Mütterlichkeit der Kirche ausnutzen“, sich „von Ambitionen oder Eitelkeiten korrumpieren lassen und sich selbst, wenn sie dann sanft entfernt werden, fälschlicherweise zu Märtyrern des Systems erklären, des nicht ,informierten Papstes‘, der ,alten Garde‘..., anstatt ihr ,Mea Culpa‘ zu sprechen“. In der italienischen Version seiner Ansprache war sogar von „Verrätern“ die Rede.

Kurz vor Weihnachten klang es jedenfalls so, als habe sich auch der Papst, der im März fünf Jahre im Amt sein wird, ganz offiziell von seiner Idee einer Rosskur für die Kurie verabschiedet. „In Rom Reformen durchzuführen heißt gleichsam die Sphinx von Ägypten mit einer Zahnbürste zu putzen“, zitierte Franziskus in seiner Ansprache an die Kurie einen belgischen Erzbischof des 19. Jahrhunderts. „Eines ist klar“, folgerte der italienische Corriere della Sera , „wenn wirklich Revolution auf dem Programm stand, ist sie nun archiviert“.

Unangenehm für Franziskus sind auch die Vorwürfe gegen einen seiner engsten Mitarbeiter, Kardinal Oscar Maradiaga, den Koordinator des neunköpfigen Kardinalsrats. Die italienische Zeitschrift L’Espresso berichtete am Donnerstag, einer Vatikan-Untersuchung zufolge habe der Erzbischof von Tegucigalpa von einer katholischen Universität in Honduras ein Monatsgehalt von 35 000 Euro bekommen und 1,2 Millionen Dollar in der Londoner City investiert. Teile des Investments seien verloren gegangen. Maradiaga wird schweres Missmanagement vorgeworfen. Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre Maradiagas Ruf als Vorkämpfer einer „armen Kirche für die Armen“ schwer beschädigt. Franziskus ist laut L’Espresso über den Vorgang informiert und sei „traurig“.

Ob die Weihnachtstage im Vatikan für ein wenig Erholung genutzt werden können, steht deshalb dahin. Jorge Bergoglio geht normalerweise früh zu Bett im Vatikan-Gästehaus Santa Marta. An Heiligabend hält er jedoch ab 21.30 Uhr die Christmette im Petersdom. Als Erzbischof von Buenos Aires lud Bergoglio zu diesem Anlass gerne Freunde aus der jüdischen Gemeinde ein, mit denen er anschließend auch speiste. Wie das Menü in Santa Marta ausfällt, ist nicht bekannt. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Süßspeisenliebhaber Franziskus zum Nachtisch Panettone und Nougatschokolade, den sogenannten Torrone, schnabulieren wird. Beides hat sowohl in Argentinien, als auch in Italien Tradition.

Am Weihnachtstag wird der Papst mittags von der Mittelloggia des Petersdoms den traditionellen Segen „Urbi et Orbi“ spenden und dabei auf den Christbaum sowie die Krippe auf dem Petersplatz blicken. Seismographen des vatikanischen Innenlebens ist nicht entgangen, dass die Krippenfiguren aus der Abtei Montevergine in der Nähe von Neapel stammen. Die dortige Madonna wird von homosexuellen und transsexuellen Gläubigen besonders verehrt.

Gut möglich ist, dass der soeben 81 Jahre alt gewordene Papst Franziskus wie in vorangegangenen Jahren seinem emeritierten Vorgänger Benedikt XVI. persönlich seine Weihnachtswünsche überbringen wird. Der 90 Jahre alte Benedikt baut körperlich ab, ist nach Angaben von Vertrauten aber geistig weiterhin sehr wach. Am Silvester-Nachmittag leitet Franziskus ein Dankgebet für das vergangene Jahr, am Vormittag des 1. Januar, dem katholischen Welttag für den Frieden, feiert der Papst eine Messe im Petersdom.

Die Weihnachtszeit endet auch für Franziskus mit dem Dreikönigsfest am 6. Januar, das mit Messe im Petersdom gefeiert wird. Ab dem 15. Januar steht für Franziskus eine einwöchige Reise nach Chile und Peru auf dem Programm.

Antreten zur vorweihnachtlichen Abrechnung. Auch in diesem Jahr mussten Kardinäle, Bischöfe und Prälaten eine Gardinenpredigt des Papstes über sich ergehen lassen. Franziskus verurteilte dabei unter anderem im Vatikan verbreitete „Ambitionen und Eitelkeiten“. Foto: afp

Der Pontifex logiert nach wie vor im Gästehaus

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