Die GROKO... kann kommen... 2. Das sagen die SPDler aus der Region..

05. März 2018

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Aufatmen nach dem Jawort der SPD
Regierung Ein halbes Jahr nach der Wahl soll die neue Bundesregierung kommende Woche ihre Arbeit aufnehmen. In Bayern will die CSU heute Klarheit über künftiges Personal schaffen

Von Martin Ferber und Uli Bachmeier

Berlin/München Ganze 161 Tage nach der Bundestagswahl hat es gedauert, bis Deutschland endlich wieder eine richtige Bundesregierung bekommen kann: Voraussichtlich am 14. März – Mittwoch nächster Woche – soll Angela Merkel zum vierten Male zur Bundeskanzlerin gewählt werden. Auch wenn einzelne SPD-Abgeordnete bereits überlegen, ihr die Stimme zu verweigern. Die Basis der SPD aber willigte in die seit der Wiedervereinigung dritte Große Koalition an der Seite von CDU und CSU nach langem Ringen mit einem für viele überraschend klaren Ergebnis ein.

Bei einer Beteiligung von 78,4 Prozent stimmten beim SPD-Mitgliederentscheid exakt 239 604 Mitglieder mit Ja, das sind 66 Prozent, 34 Prozent lehnten die Große Koalition ab. Sowohl die SPD-Spitze als auch führende Vertreter der Union begrüßten das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids mit großer Erleichterung. „Wir haben jetzt Klarheit“, sagte der kommissarische Parteichef Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus. „Die SPD wird in die Regierung eintreten.“ Über die Besetzung ihrer sechs Ministerposten wollen die Sozialdemokraten in den nächsten Tagen entscheiden, dem Kabinett sollen jeweils drei Männer und drei Frauen angehören. Scholz soll Finanzminister und Vizekanzler werden, zudem dürften auch die bisherigen Ministerinnen und Minister Katarina Barley und Heiko Maas wieder dem Kabinett angehören. Offen ist dagegen die Zukunft von Außenminister Sigmar Gabriel.

Scholz lobte die „spannenden und wichtigen Debatten“ in der Auseinandersetzung über den Koalitionsvertrag. „In der Diskussion sind wir weiter zusammengewachsen.“ Die Kritiker und Gegner der „GroKo“ verhehlten dagegen ihre Enttäuschung nicht. Juso-Chef Kevin Kühnert machte deutlich, dass man das Ergebnis akzeptiere, aber weiterhin für eine programmatische Erneuerung der SPD kämpfe. Die SPD müsse in der jetzt anstehenden Regierungsarbeit „eigenständig erkennbar sein“. Die Wortführerin des linken Flügels in der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass immerhin ein Drittel mit Nein gestimmt habe. „Das ist keine Zahl, die man so einfach wegwischen kann.“

Kanzlerin Merkel reagierte mit Erleichterung auf den Mitgliederentscheid. „Ich gratuliere der SPD zu diesem klaren Ergebnis und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes“, twitterte die CDU im Namen Merkels. Vertreter der AfD, FDP, Linke und Grüne kündigten eine harte, aber konstruktive Oppositionsarbeit im Bundestag an. Als künftige Oppositionsführerin warf AfD-Fraktionschefin Alice Weidel der SPD vor, einen politischen Neuanfang in Deutschland zu verhindern.

Nach dem SPD-Entscheid wird erwartet, dass CSU-Chef Horst Seehofer heute den Zeitplan für die Amtsübergabe an den designierten neuen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bekannt gibt. Söder könnte bereits einen Tag vor Merkels Kanzlerwahl am 13. März von der CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag zum Regierungschef gewählt werden. Zudem dürfte Seehofer heute bekannt geben, ob der Allgäuer CSU-Politiker Gerd Müller sein Amt als Bundesentwicklungsminister behalten kann.

Lesen Sie in der Politik alles über den Tag der Entscheidung der SPD und wie es in Berlin und Bayern weitergeht. Im Leitartike l schreibt Walter Roller, was der Mitgliederentscheid für die Vertrauenskrise in der deutschen Politik bedeutet.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles war die Erleichterung nach dem überraschend klaren Mitgliederentscheid ihrer Partei anzusehen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

Des einen Freud, des anderen Leid
Abstimmung Nachdem beim Basisvotum eine Mehrheit der SPD für Regierungsbündnis stimmt, dominiert in der Region Erleichterung. Aber nicht alle Sozialdemokraten sind darüber glücklich

Von Oliver Helmstädter und Jens Carsten

Landkreis/Ulm Eine Ulmerin ist an diesem Tag eine der gefragtesten Gesprächspartner der Republik. Hilde Mattheis ist nach Juso-Chef Kevin Kühnert die Galionsfigur der No-Groko-Bewegung. Die 63-jährige Vorsitzende des innerparteilichen Forums Demokratische Linke hätte sich das Ergebnis der Mitgliederbefragung freilich anders vorgestellt. Das demokratisch zustande gekommene Ergebnis sei zu akzeptieren. Eine dringend notwendige inhaltliche und personelle Erneuerung werde als Juniorpartner der Union „noch schwieriger“. Trotz Niederlage habe aber die Bewegung zu einem Erneuerungsprozess beigetragen. Die Frage, ob die designierte Parteivorsitzende Andrea Nahles aus ihrer Sicht dafür die Richtige sei, will sie nicht beantworten. „Sie wird nun beweisen müssen, dass sie für Erneuerung steht.“

Ganz anders ist die Gemütslage bei zwei bekannten Sozialdemokraten aus dem Kreis Neu-Ulm. Der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner sowie Antje Esser, die Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, geben sich beide „sehr erleichtert“ über das Votum der Partei. Esser kann die Argumentation der Gegner einer Großen Koalition „überhaupt nicht nachvollziehen“. Die Sozialdemokratie würde, so Esser, ein geradezu jämmerliches Bild abgeben, wenn sie Regierungsverantwortung ablehnen würde. „Wir können uns doch nicht erst zur Wahl stellen und dann sagen, wir sind ausgebrannt, wir können leider nicht regieren.“

Esser ist der Überzeugung, dass gerade in Regierungsverantwortung die Partei wieder in die Spur finden könne. Und das Argument, dass eine Große Koalition der Demokratie schade, sei auch nicht mehr zutreffend. Mit den Grünen, der FDP, Linke und der AfD gebe es eine Vielzahl an mehr oder weniger seriösen Parteien, die Oppositionsarbeit machen. Wenn die SPD es jetzt nicht schaffe, über Regierungsarbeit Vertrauen zurückzugewinnen, „braucht die Partei sowieso niemand“.

Kreischef Brunner ist froh, dass sich mit über 66 Prozent eine sehr deutliche Mehrheit für die Koalition ausgesprochen habe. „Das dient der Befriedung der Partei.“ Brunner, der bei sechs Veranstaltungen im Kreis Neu-Ulm die Wahltrommel für das Bündnis mit der Union gerührt habe, glaubt, dass die Stimmung im Kreis etwa der im Bund – also Pro-GroKo – entspreche.

Die Vorsitzende des Juso-Kreisvereins Seija Knorr ahnte nach eigenen Angaben zuletzt den Misserfolg der No-Groko-Bewegung. Die Stimmung in den Ortsvereinen außerhalb der Jungsozialisten sei ziemlich eindeutig gewesen. An einen Austritt aus der Partei denkt die erklärte Gegnerin der Großen Koalition deswegen aber nicht. „Die werden mich so schnell nicht wieder los.“ Sie sei in die Partei eingetreten, um zu gestalten und das werde sie weiter tun. Die SPD müsse mehr Politik für abhängig beschäftigte Menschen am Ende der Nahrungskette machen. Das Thema soziale Gerechtigkeit drohe aber bei zu großer Nähe zur CDU/CSU unter die Räder zu kommen. Auch die Jusos Ulm werden die Politik der Großen Koalition „aufmerksam verfolgen“ und wollen beobachten, ob die Union erneut die Umsetzung vieler Vereinbarungen blockiert. Sie wollen auch nach den Worten von Pressereferentin Jenny Maier ihre künftige Vorsitzende Andrea Nahles beim Wort nehmen, dass in zwei Jahren die Koalition in bundesweiten Diskussionsrunden bewertet und über das weitere Vorgehen beraten wird. Kasim Kocakaplan, der Vorsitzende der SPD in Illertissen, schickte im Namen seines Ortsvereins sogar einen Brief an die Parteizentrale. Ihre Botschaft: Lieber in die Opposition. Kocakaplan hofft nun, dass es dennoch gelingt, in der nun anstehenden Großen Koalition, die „Handschrift der SPD“ herauszustellen. Damit dürfte der Illertisser in der Sozialdemokratie nicht allein stehen.

K-H. Brunner

Hilde Mattheis

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