Ulm / Neu-Ulm... kann die Seilbahn den Verkehr entlasten ?

23. März 2019

Lesen SIE bitte die SWP...

22.03.2019 Neu-Ulm und Umgebung

„Eine Seilbahn
ist kein Touristengag“

Interview Warum dieses Transportmittel zukunftsträchtig ist, und wie es unter anderem in Ulm umgesetzt werden könnte, erklärt Landschaftsarchitekt Berthold Stückle. Von Ulrike Schleicher

Berthold Stückle vor der Wilhelmsburg: Er ist Experte in Sachen Gartenschauen. Er war Projektleiter bei der Buga in Koblenz, jetzt in Heilbronn und künftig  bei der Buga Mittelrheintal.

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as Treffen beginnt mit einem Missverständnis. Berthold Stückle wartet im Museumscafé, die Redakteurin woanders. Ein Telefonanruf klärt die Situation, Stückle kommt mit dem Auto zum anderen Treffpunkt. Das dauert bei den Straßenverhältnissen in Ulm. Er hätte auch die Tram nehmen können, aber das kommt für den 55-jährigen Projektleiter der Bundesgartenschau in Heilbronn wahrscheinlich nicht infrage. Denn er bevorzugt Seilbahnen als Transportmittel. In Ulm ist er mit dieser Idee vor sieben Jahren gescheitert. Die Straßenbahn Linie 2 wurde für rund 250 Millionen Euro gebaut. Seit einem Besuch des Gemeinderats, OB Gunter Czisch und Teilen der Verwaltung in Koblenz auf dem Gelände der letzten Bundesgartenschau (Buga) in Koblenz – dort war Stückle Projektleiter – scheint sich das Blatt gewendet zu haben:

Gemeinderat und, wie man hört, auch die Verwaltung zeigen plötzlich großes Interesse an einem Seilbahnprojekt zur Wilhelmsburg, wenn die Landesgartenschau 2030 stattfindet. Haben Sie eine Erklärung für diesen Sinneswandel?

Berthold Stückle: 2012 waren Leute am Zug, wie OB Ivo Gönner und Baubürgermeister Alexander Wetzig – die haben einfach kein anderes Denken zugelassen. Da gab es nur die Straßenbahn. Jetzt sind neue Köpfe zumindest offen für neue Ideen.

Damals ging es um ein schlüssiges Verkehrskonzept, die Seilbahn zur Wilhelmsburg dagegen – ist sie nicht nur ein Touristengag?

Wer so denkt, hat keine Ahnung. Seilbahnen sind kein Allheilmittel, aber sinnvoller Teil des ÖPNV und seiner Vernetzung. Sie werden seit langer Zeit – und jetzt immer häufiger – in Städten als Infrastrukturmaßnahme eingesetzt. In London etwa verbindet eine Seilbahn zwei U-Bahnstationen, in München wird gerade eine geplant, um dem Stau Herr zu werden, in Ankara verbindet sie zwei Stadtteile. Da haben die Leute zuvor 50 Minuten gebraucht, jetzt sind es zehn ...

Was heißt Ergänzung genau?

Nehmen wir die Idee des Neu-Ulmer OB Gerold Noerenberg, eine Seilbahn von der Ratiopharm-Arena, nach Ludwigsfeld und dann nach Wiblingen zu bauen. Das eine ist die Strecke in der Luft, mit der man Distanzen schnell überwindet. Das andere ist die Kombination damit. So steigt man etwa in Wiblingen Am Pranger aus und wird dann mit Shuttlebussen, die ständig kreisen, im Stadtteil verteilt.

Man kennt das Prinzip ja oft nur als klassische Punkt-zu-Punkt Verbindung.

Ja, das war lange ein Manko an Seilbahnen. Manchmal reicht das ja auch. Etwa von Ulm zum Eselsberg – da hätte sie auch erst einmal gereicht: Morgens 10 000 Leute hoch, abends wieder runter. Aber natürlich steckte bei meinem Konzept damals mehr dahinter.

Jetzt geht es um die Wilhelmsburg und die Landesgartenschau 2030. Parallelen zu Koblenz sind ja da. Dort fährt die Seilbahn hoch zur Festung Ehrenbreitstein.

Beide Festungen haben sogar den selben Baumeister.

Ja, aber die Festung in Koblenz wird ganzjährig bespielt. In Ulm hat man noch keine konkreten Pläne, dieses riesige Bauwerk mit Leben zu füllen.

Das ist natürlich Voraussetzung, dass da oben was passiert und die Leute hin wollen. In Koblenz gibt es eine ganze Menge. Zum Beispiel ist dort eine Jugendherberge, Gastronomie, das Landesmuseum, es gibt einen Bereich für Veranstaltungen – das Land Rheinland Pfalz hat richtig viel Geld in die Hand genommen, um dort zu sanieren.

Wer hat das Konzept entwickelt?

Die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Buga. Die Seilbahn war übrigens auch umstritten, weil Ehrenbreitstein ein Weltkulturerbe ist. Schließlich hieß es, sie kann drei Jahre bleiben.

Das ist inzwischen wieder anders ...

Ja, sie kann bis 2026 bleiben. Witzigerweise stützt die Seilbahn jetzt das Weltkulturerbe: Früher kamen 300 000 Besucher pro Jahr. Jetzt sind es 900 000. Ganz einfach, weil man leicht hinkommt.

Gibt es keine Straßen?

Doch, aber man hätte für die Anzahl der Besucher was weiß ich wie viel Tausende von Bussen einsetzen müssen. Wir haben bei der Buga in einem halben Jahr sechs Millionen Besucher damit transportiert. Überlegen Sie sich das mal.

Ist der Betrieb ökologisch sinnvoll?

Natürlich. In Koblenz braucht sie im Schnitt 240 Kilowatt in der Stunde. In der Zeit transportiert man 6000 Menschen.

Wie geht das?

Das ist unter anderem das Paternoster-Prinzip. Die Kabine, die runterfährt, zieht die andere hoch.

Wo liefe die Trasse in Ulm?

Eine Möglichkeit ist eine direkte Trasse hoch zur Wilhelmsburg von der Schillerstraße aus beim Bahnhofssteg. Die ist aber vielleicht aus Denkmalschutzgründen kritisch. Außerdem würde sie die Anwohner tangieren.

Und die andere?

Meine bevorzugte Trasse wäre eine vom Bahnhof über die Gleise zu Ikea, dort gibt es eine Zwischenstation. Das wäre in zweifachem Sinn charmant: Das Gewerbegebiet wäre angebunden. Und man könnte die Anrainer fragen, ob die Parkflächen für Abendveranstaltungen auf der Burg genutzt werden könnten. Die zweite Sektion geht dann hoch zur Wilhelmsburg. Die dritte zum Eselsberg. Da ist der Botanische Garten, die Wissenschaftsstadt, der Kunstpfad ... Dafür bräuchte es aber ein touristisches Konzept.

Die zweite Trasse scheint sinnvoller, aber über die B 10 nicht so schön ...

Ich finde das gar nicht. Von oben ist der Blick auf Ulm ja wunderschön. Vor allem auch nachts. Man kann sich noch andere Nutzungen der Gondeln vorstellen.

Welche?

Nur ein Beispiel sind Flying Dinners. Das machen auch viele Gondelbetreiber in den Bergen. Unten kocht ein Chef, in den Gondeln sind Tische für vier Personen gedeckt und während des Essens schwebt die Gondel über der Stadt.

Sehr romantisch. Was kostet die Seilbahn in etwa?

Im Schnitt kostet ein Kilometer zwischen fünf und sechs Millionen Euro. Zwei sind es zur Festung. Dann kommt es natürlich noch darauf an, welches Fahrsystem man nimmt, und wie viele Stationen man will und wie diese gebaut und ausgestattet sind – simpel oder ästhetisch.

Welche Systeme gibt es denn?

Die Einseil- und die Pendelbahn. Das neueste und sicher beste ist aber das 3S-Umlaufsystem.

Was ist da so gut dran?

Es ist am sichersten, weil die Gondel tatsächlich nie schwankt, auch wenn etwa ein stärkerer Wind herrscht. Auch die beiden anderen Systeme sind sehr sicher.

Also es besteht keine Gefahr, dass man über der B10 hängen bleibt?

Nein. Heute ist die Technik so ausgefeilt. Da gibt es mehrere Sicherheitskomponenten, etwa Lasertechnik, mehrere Motoren.

Wie rechnet sich so ein Betrieb?

In Koblenz gab es kein Geld dafür, also haben wir einen privaten Betreiber gesucht und eine Anschubfinanzierung über einen Teil der Eintrittskarten zur Buga gesichert. Die Betriebszeit musste rund zweieinhalb Jahre betragen, damit sich das rechnet. Aber man darf nicht vergessen, dass die Seilbahn auch einen Rückkaufswert hat. Man kann die Gondel, die Antriebsaggregate und mehr wieder verwenden.

Wäre ein privater Betreiber eine Lösung in Ulm?

Das muss man genau untersuchen. Die Stadt müsste halt mal 50 000 Euro für ein Wirtschaftsgutachten ausgeben, dann wüsste man mehr.

Wie lange dauert es, bis so ein Projekt umgesetzt werden kann?

Es geht schneller und unaufwendiger als bei der Straßenbahn: Man kann es von der Planung bis zur Fertigstellung in rund eineinhalb Jahren schaffen.

 

Zur Person

Biographisches In Griesingen (bei Ehingen) geboren, ist Berthold Stückle in jungen Jahren zum Ulmer geworden. Seinen Job hat er von der Pike auf gelernt – Lehre und Meister in Garten- und Landschaftsbau, dann Ausbildung zum Landschaftsarchitekt im Büro des weltweit renommierten Experten Peter Latz. Seit Jahren ist er Projektleiter für Gartenschauen, etwa in Pforzheim, Heidenheim, Neu-Ulm und Potsdam. 2008 stellte ihn Hanspeter Faas für die Buga Koblenz ein. Zurzeit bereitet er die Buga in Heilbronn vor. Mehr Infos zur Seilbahn: Seilbahn-ulm.de.

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