Wieviel Handel verträgt die Innenstadt ?

05. Februar 2012
Lesen Sie bitte die SWP

Die Kannibalisierung hat begonnen

Wie viel Verkaufsfläche verkraftet die Region überhaupt? Branchenkenner sehen durch die beabsichtigte Erweiterung von Möbel-Mahler eine Grenze überschritten, was auch die Glacis-Galerie gefährden könnte. Was Kritiker 1

Von Oliver Helmstädter

Ulm/Neu-Ulm/Senden Der Einzelhandel der Region ist in Bewegung wie selten zuvor: Aktuell sind mit den Sedelhöfen (18000 Quadratmeter Verkauffläche), Glacis-Galerie Quadratmeter (24800) und der Übernahme des Mutschler-Centers durch Möbel-Mahler (59000, Erweiterung geplant auf 90000) drei Schwergewichte kurz vor der Realisierung. Das sorgt für Unruhe.

„Unseres Erachtens kann man sich anhand dieser Flächenzahlen durchaus die Frage stellen: Wie viele Verkaufsflächen verkraftet Ulm/Neu-Ulm überhaupt?“, schrieb etwa Birgit Schäfer-Oelmayer für die Fraktion der Grünen im Gemeinderat an Ulms OB Ivo Gönner und forderte, dass die Verwaltung ein „Konzept zum großflächigen Einzelhandel für Ulm/Neu-Ulm“ darlegen soll. In Ulm gebe es – im Gegensatz zu Neu-Ulm – durchaus ein solches Konzept, sagt Josef Röll, Einzelhandelsexperte der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm. In Ulm gebe es zwei klar definierten Zonen: Blaubeurer Straße und Innenstadt. In Neu-Ulm vermisst Röll jegliche Struktur, Fachmärkte wären unsystematisch über das Stadtgebiet verteilt. Und Senden habe jetzt schon mit dem fünffachen des deutschen Durchschnittswerts von Einzelhandelsfläche pro Einwohner in Quadratmeter eine Sonderrolle.

Das geplante Einkaufszentrum Sedelhöfe betrachtet Röll als „wichtige Ergänzung“. Denn es gebe zahlreiche hochwertige Filialisten – wie Zara oder Migros – die gerne in Ulm eröffnen würden aber keine Flächen in 1A–Lage finden. Seitenlagen kämen für solche Branchengrößen nicht infrage. Aber Ulm brauche solche Magneten, um auch in Zukunft keinen Umsatz an Stuttgart, Augsburg oder München zu verlieren.

Allerdings befürchtet Röll, dass der Bogen überspannt werden könnte. Die Schließung des Pro-Markt im Ulmer Blautalcenter sei schon ein erstes Opfer einer Kannibalisierung großer Elektrofachmärkte in der Region.

Kritisch sieht Röll insbesondere die Pläne von Möbel-Mahler für das Neu-Ulmer Mutschler-Center. Während das Sortiment der Glacis-Galerie durch ein Raumordnungsverfahren in Sachen Textil begrenzt wurde, wollten die Investoren zuerst 7000 Quadratmeter Textil im vereinfachten Verfahren durchboxen. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Investoren der Glacis-Galerie einen Rückzug machen, wenn das so kommt“, sagt Röll. Denn Mahler könnte weit günstiger vermieten als die Procom im Neubau Glacis-Galerie. Und er kenne „internationale Filialisten“ aus dem Textilbereich, die speziell derart große Flächen suchen. „Dann wären alle Bemühungen umsonst.“ Denn die Glacis-Galerie („eine Chance für Neu-Ulm“) sei ja ursprüngliche von allen Seiten beklatscht worden, weil sie in Neu-Ulm endlich einen zentralen Einzelhandelsplatz etablieren könnte.

„Wir werden bauen“, sagt Detlef Samland, Leiter der Entwicklungsabteilung für Shoppingcenter bei Glacis-Galerie Investor Procom. Bis Ende Februar könnte Baurecht erreicht sein.

Allerdings sagt Samland auch deutlich, dass er zwar die Reaktivierung des Möbelhauses begrüße. Nicht aber ein weiteres Einkaufszentrum mit Textil, Sport und Co. Und so setzt Procom darauf, dass die Stadt Neu-Ulm und die Regierung von Schwaben per „Raumordnungsverfahren“ den Plänen von Möbel-Mahler einen Riegel vorschiebt. Samland und Röll können nicht nachvollziehen, dass der Neu-Ulmer Stadtverwaltung nicht schon früher der Gedanken kam, dass sie sich mit einer – wie zuerst beabsichtigten – Zulassung im „vereinfachten Verfahren“ ins eigene Fleisch schneiden würden. „Neu-Ulm tut sich mit beiden Projekten keinen Gefallen“, sagt Röll. Zumindest wenn Mahler sich nicht auf Möbel konzentriere.

Statt Bebauungsplanänderung „durch die Hintertüre“ müssen jetzt Beteiligte gehört werden. Und auch die IHK Schwaben wird eine Stellungnahme abgeben. Oliver Stipar, Geschäftsführer der IHK-Regionalversammlung Neu-Ulm, sieht die Geschäfte in den Mittelzentren Weißenhorn, Illertissen und Günzburg als drohende Verlierer eines Verdrängungswettbewerbs. Noch sei das System austariert, doch es drohe die Schieflage.

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