Jamaika... klappt das noch ?
18. November 2017
Lesen SIE bitte die NUZ..
Von Michael Stifter
Augsburg Es ist wie beim Fußball: Wenn es beim Schlusspfiff noch immer unentschieden steht, geht es in die Verlängerung. Eigentlich wollten CDU, CSU, FDP und Grüne ja schon gestern erklären, wie sie sich ihre gemeinsame Regierung vorstellen. Doch in einer langen Sitzung, die erst Freitag früh gegen halb fünf Uhr abgepfiffen wurde, hatten sich die Verhandlungspartner „ineinander verhakt“, wie es der Liberale Alexander Graf Lambsdorff später formulierte. Im Kern geht es darum, dass weder die CSU noch die Grünen in der Flüchtlingspolitik zu echten Kompromissen bereit sind. Kriegt die Kanzlerin das noch hin? Die von ihr gesetzte Frist, um die Sondierungen abzuschließen, wurde jedenfalls versäumt. Und so saßen die Verhandlungsführer gestern also wieder zusammen, um irgendwie doch noch eine Lösung zu finden.
Die Zuversicht hat unter den ermüdenden Gesprächen spürbar gelitten: „Jamaika hängt ehrlicherweise am seidenen Faden“, räumte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ein. Auch Wolfgang Kubicki machte kein Hehl aus seinem Frust. „Ich gehe jetzt anderthalb Stunden duschen. Und dann gehe ich ins Fernsehen und versuche, einen guten Eindruck zu hinterlassen“, sagte der FDP-Vize konsterniert. Hinter verschlossenen Türen hatte es zuvor gekracht. Horst Seehofer war erbost, dass offenbar aus Kreisen der Grünen nach außen getragen wurde, die CSU-Unterhändler seien zerstritten. „Das sind alles Falschbehauptungen“, sagte der angeschlagene bayerische Ministerpräsident und kündigte an, die Verantwortlichen „zur Rede zu stellen“. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth konterte, auch die „bayerische Regionalpartei“ CSU müsse zu Kompromissen bereit sein. Nach wochenlangen, nahezu ergebnislosen Dauersitzungen ist die Stimmung unter den potenziellen Regierungspartnern gereizt. Dennoch bemühen sich alle Seiten um Zuversicht. Der CDU-Politiker Jens Spahn verteidigte die Verlängerung: „Lieber ein paar Stunden mehr verhandeln und dafür gute, tragfähige Ergebnisse, als schnell fertig und dann vier Jahre Streit.“ Christian Lindner sieht das ähnlich. Die Sondierung dürfe nicht an ein paar Stunden scheitern, sagte der FDP-Chef. Und die Bundeskanzlerin? „Es wird nicht ganz einfach, es wird hart“, sagte Merkel. Sie versteht sich – zum Unmut ihrer Kritiker – bislang eher als Moderatorin denn als Gestalterin. Gestern versuchte sie es mit Einzelgesprächen. „Es gehört der Wille aller dazu“, betonte Merkel und fügte sicherheitshalber hinzu: „Von der CDU-Seite ist der Wille da.“ Nun soll es am Wochenende eine neue Frist für eine Lösung geben. „Allen Beteiligten ist klar, dass wir Sonntag um 18 Uhr die Sache abschließen müssen“, sagte FDP-Vize Kubicki.
Über die Jamaika-Partner im Stimmungstief berichten unsere Berliner Korrespondenten Martin Ferber und Bernhard Junginger in der Politik . Im Leitartikel erklärt Walter Roller das Dilemma in den Sondierungsgesprächen. Platzt das Bündnis noch vor den offiziellen Koalitionsverhandlungen, könnte es Neuwahlen geben. Im Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen sprechen sich 68 Prozent der Deutschen dafür aus. Doch der Weg zu Neuwahlen ist kompliziert, wie in der Politik zu lesen ist.
Im Stimmungstief: Angela Merkel verlässt den Ort der Sondierung. Die Vorgespräche über die mögliche erste Jamaika-Koalition im Bund verlaufen äußerst schleppend und gehen nun in die Verlängerung. Foto: Michael Kappeler, dpa
„Jamaika hängt ehrlicherweise am seidenen Faden.“