Leitartikel · Neu-Ulmer Stadtrat: Gewinner und Verlierer
Nach jeder Wahl gibt es Gewinner und Verlierer. Auch in Neu-Ulm ist das so, wo sich am Mittwoch der neue Stadtrat konstituiert und für die nächsten sechs Jahre wichtige Posten besetzt hat.
Nach jeder Wahl gibt es Gewinner und Verlierer. Auch in Neu-Ulm ist das so, wo sich am Mittwoch der neue Stadtrat konstituiert und für die nächsten sechs Jahre wichtige Posten besetzt hat. Wer gehofft hat, dass die Zeichen nach einem zum Schluss hin heftigen und schmutzigen Wahlkampf auf Versöhnung gestellt werden, ist enttäuscht. So machte bei den Frustrierten das Wort vom Fehlstart die Runde.
Zu den Gewinnern zählt zuerst der wiedergewählte CSU-OB. Auch wenn Gerold Noerenberg gegen einen politischen Frischling nur mit 100 Stimmen Vorsprung durchs Ziel ging, darf er abermals die Geschicke der Stadt bestimmen. Klar, das allein zählt. Aber Noerenberg ist auch ein Verlierer. Wer als Amtsinhaber nur 17,2 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich scharen kann, der muss vieles falsch gemacht haben, der sollte in aller Demut in sich gehen und nach Ursachen suchen.
Zu den Gewinnern zählen auch die von Fraktionsüberläufern und einem OB-Kandidaten Stephan Salzmann wiederbelebten Bürger PRO Neu-Ulm - auch wenn Salzmann selbst durch dubiose Wahlwerbungsaktionen vorerst im Abseits steht. PRO aber stellte sich vor der Stichwahl hinter den Amtsinhaber und wurde mit dem Amt des Zweiten Bürgermeisters - nicht für Salzmann, sondern für Albert Obert - fürstlich belohnt. Beachtlich für eine Gruppierung, die kurz vor der Auflösung stand.
Als Gewinnerin darf sich Antje Esser fühlen, die neue starke Frau an der Spitze der SPD. Sie hat das von ihrem Vorgänger Karl-Martin Wöhner geschmiedete OB-Wahl-Bündnis aufgekündigt, ist auf Kuschelkurs zur CSU gegangen und konnte so den Posten des Dritten Bürgermeisters retten. Aber sind die Sozialdemokraten als zweitstärkste Fraktion damit angemessen beteiligt? Wohl kaum!
Auf der Verlierer-Seite steht vor allem die CSU. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit 2008 ging die Talfahrt weiter. Dass die CSU doch auf 19 Mandate kommt, liegt am schamlosen Wechsel der Ex-Grünen Annette Neulist in die Arme der CSU. Die Grünen sprechen zurecht von Verrat und Betrug, und so zählt auch die Demokratie zu den Verlierern der Wahl.
Eine fast schon tragische Verliererin aber ist Christa Wanke. Woran sie selbst nicht ganz unschuldig ist. Für die CSU-Fraktion, und das gestehen viele ein, war sie die Ideen-Geberin schlechthin, die ihr Bürgermeisteramt auch noch charmant wahrgenommen hat. Das war vielen in der CSU ein Dorn im Auge, voran dem OB, der die Stadträtin dem Vernehmen nach hinter verschlossenen Türen nicht selten derart runtergeputzt hat, dass sie weinend Sitzungen verließ. Als Bürgermeisterin wollte die CSU sie nicht mehr haben. Nun sitzt sie schmollend mit versteinerter Miene in der letzten Reihe. Dass an ihrer Stelle der Parteisoldat Reinhard Junginger den weiteren Bürgermeisterposten zugeschanzt bekommen hat, ist ein Treppenwitz. Junginger, der mit der Führung des CSU-Ortsvereins oft verbal überfordert ist, ist kein geeigneter Repräsentant der Stadt. Bei ihm geht es nur darum, Loyalität zu belohnen. Da kommt es auf Qualitäten weniger an.
Es war ein holpriger Start in die neue Legislaturperiode. Dabei hätte es der OB so einfach gehabt, Frieden stiftend alle einzubinden, auch die kleinen Fraktionen: Zweiter Bürgermeister für die SPD als zweitgrößte Fraktion, Dritter Bürgermeister an Grüne, PRO, FWG oder FDP, die fast alle auf Augenhöhe sind. Fertig. Mehr braucht es auch nicht. Diese Chance aber hat er vertan.